Differenzieren 1

Zusammenfassung:
Die Ableitung einer reellen Funktion ist der Anstieg der Tangente an ihren Graphen. Mit Hilfe dieses Konzepts ist es möglich, Aussagen über die Änderungsrate einer Funktion an einzelnen Stellen zu machen. Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen stellt es sich als überraschend einfach heraus, Ableitungen zu berechnen.

Stichworte:
Voraussetzungen | Die Ableitung intuitiv | Tangentenproblem | Ableitungsfunktion | höhere Ableitungen | Berechnung der Ableitung | Sekante | Differenzenquotient | Ableitung als Grenzwert | differenzierbar | Beispiele und Schreibweisen | infinitesimal | Differential | Differentialquotient | Ableitungsregeln | Ableitung eines Vielfachen | Ableitung einer Summe | Produktregel | Quotientenregel | Kettenregel | Ableitung der inversen Funktion | Ableitung spezieller Funktionen | Potenzfunktionen | Polynomfunktionen | Winkelfunktionen | inverse Winkelfunktionen | Exponentialfunktionen | Hyperbel- und Areafunktionen | Logarithmen | Monotonie, Extrema und Wendepunkte | lokales Maximum (Minimum) | Hochpunkt, Tiefpunkt | lokale Extrema an Randstellen | Sattelpunkt | Wendepunkt | Die Ableitung als Änderungsrate | Computer können differenzieren | Ausblicke


Auf einen Blick: Ableitungsregeln und Ableitungen

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Voraussetzungen
        
    

Die Differentialrechnung (oder Differenzialrechnung) zählt zu den großen Errungenschaften der neuzeitlichen Mathematik. Gemeinsam mit der Integralrechnung ist sie ein Teilgebiet der Analysis. Um sie verstehen zu können, benötigen wir einige Kenntnisse aus früheren Kapiteln, die wir kurz zusammenfassen:

Eine (reelle) Funktion f kann
  • als Zuordnung betrachtet werden (jeder reellen Zahl x aus dem Definitionsbereich von f wird eine reelle Zahl f(x) zugeordnet) oder
  • als Ausdruck der Abhängigkeit einer Größe von einer anderen (die Größe f hängt vom Wert der Größe x ab und wird daher als f(x) geschrieben).
Eine Funktion kann zeichnerisch dargestellt werden, indem in einem Diagramm die möglichen x-Werte auf der horizontalen Achse und zu jedem x-Wert der zugehörige Funktionswert f(x) auf der vertikalen Achse aufgetragen wird. Die Menge aller so entstehenden Punkte in der Zeichenebene ist der Graph der Funktion im Allgemeinen ist er eine Kurve, die die Eigenschaften der Funktion widerspiegelt. Wird die vertikale Koordinate mit dem Symbol y bezeichnet, so ist der Graph die Menge aller Punkte (x, y), für die y = f(x) gilt.
     



Integralrechnung



Funktionen 1
 
    
Beispiel: Die durch f(x) = x2 definierte Funktion (manchmal auch in der Form f : x x2 angeschrieben) ordnet jeder Zahl ihr Quadrat zu. Ihr Graph ist eine nach oben offene Parabel, deren Scheitel im Ursprung liegt.
Der Anstieg (die Steigung) einer Geraden in einem xy-Koordinatensystem ist der Quotient der Kathetenlängen eines Steigungsdreiecks (y/x). Wir können diese Größe von Verkehrsschildern ablesen: Der Anstieg einer mit dem Hinweis "15%" gekennzeichneten Straße ist 0.15 (wobei die y-Achse als vertikal zu denken ist). Ist eine Gerade durch die Gleichung y = kx + d gegeben, d.h. ist sie der Graph der linearen Funktion f(x) = kx + d, so ist ihr Anstieg der Wert der Kontante k.
     


Quadratische Funktionen



Anstieg einer Geraden


 
    
Schließlich wäre es günstig, wenn Sie bereits von Grenzprozessen und dem Begriff des Grenzwerts gehört haben. Wir werden allerdings in diesem Kapitel nur wenig (und eher intuitiven) Gebrauch von ihnen machen.

 
     

Grenzprozesse

 
 
    
Die Ableitung intuitiv
     
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Wir wissen, was der Anstieg einer Geraden ist macht es auch Sinn, vom Anstieg einer Kurve zu sprechen? Wir wollen zunächst nicht allzu streng sein und uns von der Intuition leiten lassen: Eine Kurve kann ihre "Richtung" ändern, sie kann in verschiedenen Punkten unterschiedlich "steil" sein. Macht es also Sinn, von der Richtung und vom Anstieg einer Kurve in einem Punkt zu sprechen? Ja, das macht Sinn, vorausgesetzt, die Kurve besitzt in dem betreffenden Punkt eine Tangente (d.h. sie macht dort keinen Knick). Dann bezeichnen wir als Richtung der Kurve die Richtung der Tangente und als Anstieg der Kurve den Anstieg der Tangente. Das wollen wir auf den Graphen einer Funktion anwenden. Wir vereinbaren:
 
     

Tangente
(in Vorbereitung)
 
    
Sei f eine (reelle) Funktion. Die Ableitung von f an der Stelle x ist der Anstieg der Tangente an den Graphen von f im Punkt (x, f(x)). Sie wird mit dem Symbol f '(x) bezeichnet (ausgesprochen als "f-Strich von x" oder "f-Strich an der Stelle x").
Bemerkung: Dabei ist natürlich vorausgesetzt, dass der Graph von f im Punkt (x, f(x)) überhaupt eine Tangente besitzt. Diese Vereinbarung ist daher vorerst nicht als präzise Definition des Begriffs der Ableitung aufzufassen, sondern eher als Grundidee, von der wir ausgehen.
Damit wissen wir im Prinzip, was die Ableitung ist. Stellen wir uns vor, eine Funktion f sei gegeben, ihr Graph sei gezeichnet, und wir sollten die Ableitung an einer gegebenen Stelle x0 bestimmen. Wir haben noch kein Verfahren zur Hand, dieses so genannte Tangentenproblem mittels einer Rechnung zu lösen, aber um die gewünschte Ableitung näherungsweise aus dem Diagramm, das den Graphen zeigt, abzulesen, legen wir so genau es geht die Tangente durch den Punkt (x0, f(x0)) und vermessen ihren Anstieg mit Hilfe eines Steigungsdreiecks. Das ist im Bild rechts anhand eines Beispiels dargestellt. Auf die Größe des Steigungsdreiecks kommt es dabei nicht an. Im gezeigten Beispiel ist es so gewählt, dass x = 5 ist, und danach wird y als 3 abgelesen. Die Ableitung ist dann der Quotient y/x, also 3/5 oder 0.6. Eine andere Möglichkeit wäre, ein Steigungsdreieck zu zeichnen, für das x = 1 ist, womit der Anstieg direkt als y abgelesen wird. Klicken Sie hier, um die Anzeige dieses normierten Steigungsdreiecks an- und abzuschalten.

Das nebenstehende Applet erlaubt es Ihnen, diesen Zusammenhang zwischen Ableitung und Tangentenanstieg in einer interaktiven Weise durchzuspielen und den Umgang mit den neuen Begriffen zu üben.
 
     
Applet
Zur Definition
der Ableitung

 
 
     Diese Idee der Ableitung hat weitreichende Konsequenzen und führt in zwangloser Weise zu weiteren Begriffen, die dazu dienen, Funktionen zu charakterisieren. Insbesondere ist die Ableitung einer Funktion f selbst wieder eine Funktion: Sie ordnet jedem x die Ableitung von f an der Stelle x zu und wird mit dem Symbol f ' bezeichnet. Um diesen Aspekt zu betonen, kann man f ' auch Ableitungsfunktion nennen. Ihr Funktionswert an der Stelle x ist f '(x), in Übereinstimmung mit der oben eingeführten Schreibweise. Als Funktion besitzt f ' natürlich auch einen Graphen.

Zwischen den Eigenschaften einer Funktion und den Eigenschaften ihrer Ableitung bestehen wichtige Zusammenhänge. Eine schöne Illustration dafür ergibt sich aus dem Bild einer Straße, die auf und ab durch eine Landschaft führt. (Die y-Achse ist dabei als vertikal zu denken). Rufen Sie mit dem nebenstehenden Button eine solche Illustration auf. Sie werden dabei auf Begriffe wie Hochpunkt, Tiefpunkt, Maximum, Minimum, Extremum und Wendepunkt und auf einen Zusammenhang mit dem Monotonieverhalten einer Funktion stoßen, die uns alle im Laufe dieses Kapitels noch begegnen werden.

     
Steigungen in der

 
 
     Eine besonders nützliche Illustration der Ableitung kommt aus der Physik: Ist s(t) der Ort, an dem ein Körper zur Zeit t ist, so kann dessen Bewegung durch den Graphen der Funktion s s(t) (die so genannte Weltlinie) zeichnerisch dargestellt werden. Handelt es sich dabei um eine gleichförmige Bewegung, so ist die Weltlinie eine Gerade, und ihr Anstieg ist die Geschwindigkeit (s/t, d.h. zurückgelegter Weg durch benötigte Zeit). Ist die Bewegung beschleunigt, so ist die Weltlinie eine Kurve. Den Anstieg der Tangente an die Weltlinie im Punkt (t0, s(t0)), d.h. die Ableitung s'(t0), bezeichnen wir als Momentangeschwindigkeit des Körpers zu Zeit t0.

Da die Ableitung einer Funktion wieder eine Funktion ist, können wir höhere Ableitungen betrachten: Die Ableitung der Ableitung von f heißt zweite Ableitung und wird mit dem Symbol f '' bezeichnet. f ''(x) ist der Anstieg der Tangente an den Graphen von f ' im Punkt (x, f '(x)). In analoger Weise kann die dritte Ableitung f ''' betrachtet werden, usw. Die n-te Ableitung wird auch als f (n) geschrieben.
 
     
 
 
     Es wird Ihnen später sehr helfen, wenn Sie in der Lage sind, Graphen von Funktionen und Ableitungen zu verstehen und aufeinander zu beziehen. Mit Hilfe der drei nebenstehenden Applets können Sie das ein bisschen üben, indem Sie die Ableitungen von Funktionen erkennen. Von allen beteiligten Funktionen sind nur die Graphen gegeben mehr müssen Sie über sie nicht wissen. Der Schwierigkeitsgrad ist ansteigend, aber in allen Fällen kommen Sie mit dem bisher Gesagten (und vielleicht einer kleinen Portion detektivischen Herangehens) aus.
 
Damit kommen wir zum Ende unseres "intuitiven" Abschnitts. Eine Funktion abzuleiten oder zu differenzieren heißt, ihre Ableitung zu bestimmen. Wir haben vorerst die Grundidee für diesen Prozess formuliert. Was uns aber noch fehlt, ist ein Verfahren, Ableitungen konkret auszurechnen (und ein Kriterium, wann sie überhaupt existieren). Damit und mit einigen Konsequenzen werden wir uns im Rest dieses Kapitels beschäftigen.

 
     
Applets
Ableitungs-Puzzles

1  2  3
 
    
Berechnung der Ableitung
     
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Wie wollen nun berechnen, was wir im vorigen Abschnitt als Idee formuliert haben: den Anstieg der Tangente an einen Funktionsgraphen. Dazu nehmen wir zunächst ganz allgemein an, eine reelle Funktion f und eine Stelle x0 seien gegeben, und die Aufgabe besteht darin, den Anstieg der Tangente an den Graphen im Punkt (x0, f(x0)) zu ermitteln. Wir gehen in zwei Schritten vor.

1. Schritt: Wir berechnen zunächst den Anstieg einer Sekante, d.h. einer Geraden, die den Graphen von f in zwei Punkten schneidet, und zwar einerseits im gegebenen Punkt (x0, f(x0)), andererseits in einem Nachbarpunkt (x0 + ε, f(x0 + ε)), wobei der Wert von ε zunächst nicht näher angegeben wird. Mit anderen Worten, wir gehen von x0 ein Stück ε nach rechts oder links (je nach dem Vorzeichen von ε) und berechnen den Anstieg der Geraden durch die beiden Punkte des Graphen, die wir in der folgenden Zeichung als P und Q bezeichnen:


Die Katheten des eingezeichneten Steigungsdreiecks sind x = ε und y = f(x0 + ε) f(x0), womit der Anstieg der Sekante, d.h. der Quotient y/x, als

 f(x0 + ε) f(x0)
ε  
(1)

geschrieben werden kann. Da Zähler und Nenner nichts anderes sind als die Differenzen der Koordinaten der Punkte P und Q, wird diese Größe Differenzenquotient genannt.

2. Schritt: Wir haben zwar jetzt den Anstieg der Sekante durch die Punkte P und Q berechnet, worauf wir aber letztlich hinaus wollen, ist der Anstieg der Tangente im Punkt P. Wenn wir nun ε (genauer: seinen Betrag) immer kleiner machen, sollte sich die Sekante der Tangente annähern. Allerdings können wir nicht einfach ε = 0 in (1) einsetzen, denn dann erhalten wir den sinnlosen Ausdruck 0/0. Das ist klar, denn dann fallen die Punkte P und Q ja zusammen und können daher keine Gerade bestimmen. Was wir aber tun können, ist, von einer echten Sekante auszugehen (d.h. von einem Wert ε  0) und ε schrittweise immer näher an 0 heranführen. Wir können also beispielsweise nacheinander ε = 1, ε = 1/2, ε = 1/3,... setzen. Für jeden dieser Werte von ε bekommen wir einen Differenzenquotienten vom Typ (1), und die so entstehende Folge von Differenzenquotienten sollte sich dem gesuchten Tangentenanstieg annähern. Klicken Sie hier, um eine kleine Animation, die diesen Vorgang illustriert, an- und und abzuschalten. Was wir also im Sinn haben, ist, die Ableitung als Grenzwert des Differenzenquotienten (1) für gegen 0 strebendes ε zu definieren. Symbolisch schreiben wir ihn als
     

Folgen und
Grenzwerte

und
Grenzwerte reeller Funktionen
 
 
    

        f(x0 + ε) f(x0)
ε
  .
 f '(x0)   =   lim
  ε  0
(2)

Den ersten Teil dieses Ausdrucks sprechen wir als "Limes Epsilon gegen 0" aus. Die nebenstehende Flash-Animation illustriert noch einmal diesen Grenzübergang. Lassen Sie sich nicht davon stören, dass in ihr statt des Symbols ε der Buchstabe h verwendet wird.
     
Flash
Die Ableitung als
Grenzwert

 
 
    
Beispiel: Wir betrachten die Funktion f(x) = x2 und berechnen die Ableitung an der Stelle x0 = 3.
Der Differenzenquotient (1) berechnet sich zu

(3 + ε)2 32
ε
  =   9 + 6 ε + ε2 9
ε
  =   6 ε + ε2
ε
  =   6 + ε .
  (3)

Vollziehen Sie die Vereinfachungsschritte nach! Beachten Sie, dass man in den ersten drei Ausdrücken nicht einfach ε = 0 setzen kann, da sich dann 0/0 ergäbe. Mit dem letzten Ausdruck können wir den Grenzübergang ε  0 aber ganz leicht durchführen: Wenn ε gegen 0 strebt, rückt 6 + ε immer näher an die Zahl 6 heran, d.h. erst jetzt ist es zulässig, ε = 0 zu setzen. Unser Resultat ist also:  f '(3) = 6.
In Worten: Der Anstieg der Tangente an den Graphen der Funktion x x2 im Punkt (3, 9) ist 6.
Damit sind wir prinzipiell in der Lage, die Ableitung zahlreicher Funktionen zu berechnen. Nicht immer ist die Berechnung so einfach wie im Beispiel (3), aber wir werden unten einige Hilfsmittel kennen lernen, die das Differenzieren wesentlich erleichtern.





Wir beschließen diesen Abschnitt mit ein paar grundsätzlichen Bemerkungen über den Grenzübergang ε  0, der in Formel (2) durchzuführen ist. Wenn Sie daran nicht interessiert sind, so überspringen Sie sie einfach oder kehren später zu ihnen zurück.
 
Bemerkungen zur Definition der Ableitung: Der wichtigste Punkt an Formel (2) ist der Grenzübergang ε  0. Wir haben ihn bisher so charakterisiert, dass "ε schrittweise gegen 0 strebt". Allerdings gibt es viele Arten, ε schrittweise gegen 0 streben zu lassen: Anstatt nacheinander ε = 1, ε = 1/2, ε = 1/3,... zu setzen, könnten wir genausogut ε = 1, ε = 1/2, ε = 1/3,... oder ε = 1, ε = 1/2, ε = 1/4, ε = 1/8,... setzen. Da ε nichts anderes als die Differenz der x-Koordinaten von P und Q ist, entsprechen diese Möglichkeiten den verschiedenen Arten, wie der Punkt Q der obigen Zeichnung an den Punkt P herangeführt werden kann: Ist |ε| klein, so liegt Q nahe bei P. Ist ε > 0, so liegt Q rechts von P. Ist ε < 0, so liegt Q links von P. Für jede der vielen Möglichkeiten, ε schrittweise gegen 0 streben zu lassen, erhalten wir eine Folge von Differenzenquotienten. Falls sich in all diesen Fällen immer derselbe Grenzwert ergibt, so bezeichnen wir ihn als die Ableitung f '(x0), und wir nennen die Funktion f  "an der Stelle x0 differenzierbar". Durch diese Präzisierung bekommt übrigens auch der Begriff der Tangente an einen Funktionsgraphen (soweit sie nicht parallel zur vertikalen Achse ist) eine genaue Bedeutung: Sie ist die Gerade mit Anstieg f '(x0) durch den Punkt (x0, f(x0)). Der nebenstehende Button ruft einige weitere grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema auf. Ein Beispiel für eine Funktion, die an einer Stelle nicht differenzierbar ist (die Betragsfunktion), können Sie mittels des zweiten nebenstehenden Buttons aufrufen.

Ist eine Funktion f an allen Stellen eines (offenen) Intervalls differenzierbar, so ist sie in diesem Intervall stetig. Ist auch ihre Ableitung eine stetige Funktion, dann nennt man sie "stetig differenzierbar". Das ist für die meisten Funktionen, die beim Mathematiklernen auftreten, der Fall. Es lassen sich aber Beispiele konstruieren, in denen die Ableitung einer differenzierbaren Funktion unstetig ist. Weitere Überlegungen zur Differenzierbarkeit einer Funktion und zum Zusammenhang zur Stetigkeit wollen wir uns für das zweite Differenzieren-Kapitel aufheben.

 
     
Grundsätzliche



für eine nicht-
differenzierbare Funktion


Differenzieren 2
 
 
    
Beispiele und Schreibweisen
     
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Formel (2) versetzt uns in die Lage, Ableitungen zu berechnen. Sie ist in gewisser Weise der Ausgangspunkt der Differentialrechnung. Bei ihrer Herleitung und auch im Beispiel (3) haben wir uns auf die Ableitung an einer fixen gegebenen Stelle x0 beschränkt. Um den Charakter der Ableitung als Funktion zu unterstreichen, können wir die betreffende Stelle einfach als x bezeichnen und (2) in der Form

        f(x + ε) f(x)
ε
  .
 f '(x)   =   lim
  ε  0
(4)

schreiben. Die Berechnung von Ableitungen kann in einem Zug für alle x ausgeführt werden. Sehen wir uns vier Beispiele an:

Beispiel 1: Wir betrachten wieder die Funktion f(x) = x2, berechnen aber nun die Ableitung an einer beliebigen Stelle x. Die nötige Umformung verläuft ganz ähnlich wie (3). Der Differenzenquotient ist

(x + ε)2 x2
ε
  =   x2 + 2xε + ε2 x2
ε
  =   2xε + ε2
ε
  =   2x + ε.
  (5)

Nun können wir den Grenzübergang ε  0 durchführen und erhalten

f '(x)  =  2x .
  (6)

In anderen Worten: Die Ableitung der Funktion x x2 ist die Funktion x 2x. Das ist ein schönes Resultat. Wer hätte gedacht, dass die Anstiege der Tangenten an eine Parabel durch eine derart einfache Formel gegeben sind?
Setzen wir x = 3, so ergibt sich das bereits oben erzielte Resultat  f '(3) = 6.
Weiter ist   f '(0) = 0, was einfach besagt, dass die Tangente an den Graphen an der Stelle x = 0 den Anstieg 0 hat, d.h. parallel zur x-Achse ist. In den Bereichen x > 0 (x < 0) ist der Anstieg positiv (negativ). Die Tangente ist umso steiler, je größer der Betrag von x ist. Sehen Sie sich den Graphen von f an (z.B. mit dem Funktions-Plotter) und überzeugen Sie sich von diesen Eigenschaften!

Beispiel 2: Mit der Funktion f(x) = x3 können wir auf die gleiche Weise verfahren. Rechnen Sie selbst nach, dass

(x + ε)3 x3
ε
  =   3x2 + x  + ε2 .
  (7)

gilt. Der Grenzwert dieses Ausdrucks für ε  0 ist 3x2, womit sich f '(x)  =  3x2 ergibt.
In anderen Worten: Die Ableitung der Funktion x x3 ist die Funktion x 3x2.
Die Ableitung wird nie negativ. Wegen  f '(0) = 0 ist die Tangente an den Graphen an der Stelle x = 0 parallel zur x-Achse. Sehen Sie sich den Graphen von f an (z.B. mit dem Funktions-Plotter), um sich von diesen Eigenschaften zu überzeugen!

Beispiel 3: Nun betrachten wir ein Beispiel, das so einfach ist, dass es eigentlich nichts zu rechnen gibt: die konstante Funktion f(x) = c, wobei c eine vorgegebene und festgehaltene Zahl ist. In diesem Fall verschwindet der Differenzenquotient, denn für alle x und ε gilt  f(x + ε) f(x) = c c = 0. Da er nicht von ε abhängt, entfällt das Bilden des Grenzwerts ε  0, und wir erhalten f '(x)  =  0 (für alle x).
In anderen Worten: Die Ableitung der konstanten Funktion x c ist die Funktion x 0. ("Die Ableitung einer konstanten Funktion ist Null").
Wir können dieses Resultat auch geometrisch verstehen, denn der Graph der konstanten Funktion ist eine Gerade parallel zur x-Achse (d.h. mit Anstieg 0). In diesem Fall stimmen Graph, Sekante und Tangente miteinander überein.
 
     









Grenzwerte reeller Funktionen
 
     Beispiel 4: Als letztes Beispiel betrachten wir eine allgemeine lineare Funktion (Funktion erster Ordnung), definiert durch einen Term der Form f(x) = kx + d, wobei k und d vorgegebene und festgehaltene Zahlen sind. Der Differenzenquotient ist in diesem Fall durch k gegeben (rechnen Sie nach!), hängt also (wie im vorigen Beispiel) nicht von ε ab, womit wir f '(x)  =  k erhalten.
In anderen Worten: Die Ableitung der linearen Funktion x kx + d ist die konstante Funktion x k.
Auch dieses Resultat können wir geometrisch verstehen: Der Graph unserer linearen Funktion ist eine Gerade mit Anstieg k, weshalb Graph, Sekante und Tangente miteinander übereinstimmen. Das Resultat des vorigen Beispiels erhalten wir als Spezialfall, indem wir k = 0 und d = c setzen.

 
Rede- und Schreibweisen

  • Zur Kennzeichnung der Ableitung einer termdefinierten Funktion kann der Funktionsterm mit einem Strich versehen werden. So können wir beispielsweise die Aussage, dass die Ableitung der Funktion x x2 die Funktion x 2x ist, in der Form

    (x2) '  =  2x
      (8)

    schreiben.
     
  • Da nicht jede Variable mit dem Symbol x bezeichnet wird, kennzeichnet man diese beim Bilden der Ableitung mit dem Wort "nach". Man sagt einfach: f '(x) ist die Ableitung von f(x) nach x. Eine Funktion nach r abzuleiten (oder nach r zu differenzieren) heißt, die Ableitung einer Funktion nach r zu bilden. Außerdem muss nicht immer dazugesagt werden, dass es sich bei einem Ausdruck (Term) um eine Funktionsdarstellung handelt. So kann man beispielsweise einfach sagen: Die Ableitung von u3 nach u ist gleich 3u2.
     
  • Der auf die Stellen x und x + ε bezogene Differenzenquotient (Anstieg der Sekante) wird manchmal in der Form y/x oder f/x angeschrieben, wobei x = ε und y f = f(x + ε) f(x) ist. Im Grenzübergang Sekante  Tangente streben x und f beide gegen 0, wodurch der Quotient f/x nach diesem Übergang zum sinnlosen Ausdruck 0/0 wird. In der historischen Entwicklung der Differentialrechnung hat man sich zunächst vorgestellt, x und f werden zwar "unendlich klein", aber auf eine Weise, die es nach wie vor erlaubt, ihren Quotienten zu bilden. Diese "unendlich kleinen" Größen wurden als dx und df (bzw. dy) bezeichnet (man nannte sie "infinitesimal" oder "Differentiale"), und die Ableitung kurzerhand als Quotient df/dx bzw. dy/dx angeschrieben. Intuitiv kann man sich unter den Differentialen die Kathetenlängen eines Steigungsdreiecks vorstellen, das so klein ist, dass der Unterschied zwischen Sekante und Tangente nicht ins Gewicht fällt: siehe die Skizze rechts. df ist die Änderung des Funktionswerts, wenn sich das Argument, d.h. der Wert der unabhängigen Variablen, von der Stelle x ausgehend um dx ändert. Je kleiner das Steigungsdreieck ist, umso weniger unterscheidet sich der Quotient df/dx von der Ableitung um aber einen exakten Ausdruck für letztere zu bekommen, hat man sich vorgestellt, dass es sich um ein "unendlich kleines" Steigungsdreieck handelt. Heute sind wir dank des modernen Grenzwertbegriffs in der Lage, diese Dinge mathematisch genauer zu formulieren, aber bis heute wird die Ableitung als Differentialquotient bezeichnet, und auch die Schreibweise hat in gewissem Sinn überlebt. Dazu betrachten wir als Beispiel wieder die Funktion f(x) = x2 und bezeichnen die Koordinaten in der Ebene, in der ihr Graph lebt, mit x und y. Dann sind neben (6) und (8) folgende (auf Gottfried Wilhelm von Leibniz zurückgehende) Schreibweisen für die Ableitung gebräuchlich:

    dy
    dx
      =   df
    dx
      =   df(x)
    dx
      =   d(x2)
    dx
      =   d
    dx
      f(x)   =   d
    dx
      x2   =   2x .
      (9)

    Die erste Variante wird ausgesprochen als "d-y-nach-d-x". In den letzten beiden Varianten bedeutet der formale Quotient d/dx (ausgesprochen: "d-nach-d-x") die Aufforderung, den rechts von ihm stehenden Funktionsausdruck nach x abzuleiten. Analog dazu steht beispielsweise d/du für das Bilden der Ableitung nach u. Das ist etwa sinnvoll für die Ableitung einer Funktion, deren Termdarstellung mehrere Symbole enthält, z.B. wenn a für eine festgehaltene Zahl (Konstante) steht: d(a3u2)/du = 2a3u (was aus den unten zu besprechenden Ableitungsregeln folgt).
     
  • Für höhere Ableitungen wird auch die Schreibweise d2y/dx2 (ausgesprochen: "d-zwei-y-nach-d-x-Quadrat") oder d2f(x)/dx2, bzw. als Aufforderung, die zweite Ableitung zu bilden, d2/dx2 (ausgesprochen: "d-zwei-nach-d-x-Quadrat") verwendet. Manchmal findet man für letzteres die symbolische Schreibweise (d/dx)2 als Aufforderung, zweimal zu differenzieren.
     
  • Um die Ableitung an einer bestimmten Stelle, z.B. 0, zu bezeichnen, ist die Schreibweise f '(0) am günstigsten. Es kann aber auch (x2) ' |x=0 oder eine ähnliche Form verwendet werden. (Der senkrechte Strich | hat die Bedeutung "an der Stelle" und wird auch so ausgesprochen).
     
  • Manchmal wird anstelle eines Strichs ein Punkt über das Funktionssymbol gesetzt (z.B. in der Physik, wenn die Variable die Zeit ist). Statt s'(t) wird dann

    s(t)

    (ausgesprochen: "s-Punkt von t") geschrieben. Die zweite Ableitung wird dann durch zwei Punkte (ausgesprochen "s-zwei-Punkt") gekennzeichnet.
Neues Vokabular zu lernen, ist nicht immer leicht. All diese Bezeichnungen und Symbole haben ihre Vor- und Nachteile. Wer viel mit Ableitungen zu tun hat, wird nach einiger Zeit dankbar sein, mehrere Möglichkeiten zur Schreib- und Ausdrucksweise zur Verfügung zu haben. Lassen Sie sie zunächst ein bisschen auf sich wirken und kommen Sie bei Bedarf später wieder auf diese Seite zurück!

 
     

Funktionen erster
Ordnung
 
    
Ableitungsregeln
     
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Aufgrund der überragenden Bedeutung des Begriffs der Ableitung in der modernen Mathematik, aber auch in anderen Gebieten wie in der Physik, wünscht man sich Regeln, die es erlauben, Funktionen schnell und ohne große Anstrengung zu differenzieren. Glücklicherweise existieren solche Regeln. Mit ihrer Hilfe, kann man die Zahl der Fälle, in denen die Formel (4) angewandt werden muss, auf ein Minimum reduzieren.

Stellen wir uns vor, zwei (reelle) Funktionen f und g seien gegeben, und ihre Ableitungen f ' und g' seien bekannt. Aus f und g können wir weitere Funktionen konstruieren, insbesondere
x c f(x), wobei c eine vorgegebene Zahl (d.h. eine Konstante) ist,
die Summe  x f(x) + g(x),
das Produkt  x f(x)g(x),
den Quotienten  x f(x)/g(x),
die Verkettung  x f(g(x))
und schließlich die zu f inverse Funktion (Umkehrfunktion), die wir in der Form f x( f ) anschreiben.
 
     

Funktionen kombinieren



inverse Funktion
 
 
     Die Ableitungen all dieser Funktionen können wir auf jene von f und g zurückführen, was das Differenzieren zu einer relativ einfachen Angelegenheit macht (die, wie wir unten sehen werden, auch von Computerprogrammen durchgeführt werden kann):

1.) Multiplikation mit einer Konstanten:
     
 
 
    

(c f(x)) '   =   c f '(x)
(10)
In Worten: die Ableitung eines Vielfachen ist das Vielfache der Ableitung.

Beispiel: (4x2) ' = 8x, wobei wir verwendet haben, dass uns die Ableitung (x2) ' = 2x bereits bekannt ist, vgl. (8).
2.) Summe zweier Funktionen:
     


 
    

( f(x) + g(x)) '   =   f '(x)  +  g'(x)
(11)
In Worten: die Ableitung einer Summe ist die Summe der Ableitungen.
Beispiel 1: (x2 + x) ' = 2x + 1, wobei wir verwendet haben, dass uns die Ableitungen (x2) ' = 2x und x' = 1 bereits bekannt sind.
Beispiel 2: (x2 5x + 7) ' = 2x 5, wobei wir verwendet haben, dass uns die Ableitungen (x2) ' = 2x und (5x + 7) ' = 5 bereits bekannt sind. (Für letzteres siehe die Beispiele 3 und 4 oben).
In der Praxis ist es oft nützlich, die Regeln (10) und (11) zu kombinieren, d.h. in einer Rechnung mehrfach anzuwenden. In der Sprache der höheren Mathematik drücken sie die Tatsache aus, dass das Bilden der Ableitung eine "lineare Operation" ist.
Beispiel 1: (3x2 2x + 9) ' = 6x 2, wobei wir lediglich die Ableitungen (x2) ' = 2x, x' = 1 und 1' = 0 kennen müssen.
Beispiel 2: Unter der Verwendung von (10) mit c = 1 und (11) folgt: Die Ableitung einer Differenz ist die Differenz der Ableitungen: ( f(x) g(x)) '  =  f '(x) g'(x).
3.) Produktregel:
     


 
    

( f(x) g(x)) '   =   f '(x) g(x)  +  f(x) g'(x)
(12)
Sehen Sie sich die Struktur der rechten Seite dieser Formel genauer an, denn Sie werden sie vielleicht selbst oft anwenden. Im ersten Summanden wird nur f differenziert, im zweiten nur g.

Beispiel: Wir berechnen die Ableitung der Funktion x (2x + 3) (x2 + 4). Wir könnten den Funktionsterm erst ausmultiplizieren, jeden Summanden getrennt differenzieren und dann Regel (11) anwenden. (Machen Sie das als Übungsaufgabe!). Wir können aber die gegebene Funktion auch als Produkt der Funktionen f(x) = 2x + 3 und g(x) = x2 + 4 auffassen und die Produktregel (12) anwenden: Mit f '(x) = 2 und g'(x) = 2x erhalten wir als Ableitung

((2x + 3) (x2 + 4)) '  =  2(x2 + 4) + (2x + 3) 2x,

was durch Ausmultiplizieren weiter vereinfacht werden kann. Die grün dargestellten Terme sind die Faktoren der gegebenen Funktion, die blau dargestellten sind deren Ableitungen. Berechnungen dieser Art zu beherrschen ist mit ein bisschen Übung nicht schwierig, und es macht sich bezahlt!
4.) Quotientenregel:
     


 
    

 f(x)
g(x)
 )  '    =      f '(x) g(x)    f(x) g'(x)
g(x)2
  (13)
Sie ist etwas komplizierter als die Produktregel, aber ebenfalls äußerst nützlich.

Beispiel 1:

3x2 + 7x
2x + 1
 )  '    =     (6x + 7) (2x + 1)    (3x2 + 7x) 2
(2x + 1)2
  ,

was ab hier weiter vereinfacht werden kann. (Wieder sind die gegebenen Terme grün und deren Ableitungen blau dargestellt). Klarerweise gilt dieses Resultat nur im Definitionsbereich der differenzierten Funktion, d.h. für alle x 1/2.
Beispiel 2: Als Spezialfall von (13) für f(x) = 1 ergibt sich die Regel  (1/g(x)) '  =  g'(x)/g(x)2  für die Ableitung des Kehrwerts einer Funktion.
Beispiel 3: Als Spezialfall von Beispiel 2 für g(x) = x ergibt sich (1/x) ' = 1/x2.
5.) Kettenregel:
     



 
    

( f(g(x)) ) '  =   f '(g(x)) g'(x)
  (14)
Um diese Regel zu verstehen, müssen Sie auf die genaue Schreibweise achten. Die rechte Seite besteht aus zwei Faktoren:
  • Der erste,  f '(g(x)), kommt zustande, indem zuerst die Ableitung der Funktion f gebildet wird (wenn man will, kann man f in der Form  f : g f(g) schreiben und die Ableitung  f ' : g f '(g) bestimmen) und danach anstelle der Variable der Ausdruck g(x) eingesetzt wird. Man kann diesen Faktor auch (etwas salopp) als Ableitung von f nach g bezeichnen. Manchmal wird er auch äußere Ableitung genannt (obwohl dieser Begriff in der höheren Mathematik noch eine andere Bedeutung hat, die uns hier aber nicht interessiert).
  • Der zweite,  g'(x), die Ableitung von g nach x, wird auch als innere Ableitung bezeichnet.
Die Kettenregel wird auch manchmal in der folgenden (Leibnizschen) Form
     


 
    
df
dx
   =    df
dg
    dg
dx
  ( 14' )

angeschrieben, die ihre Struktur noch deutlicher hervorhebt. Dabei wurde die in (9) vorgestellte Schreibweise verwendet. Intuitiv kann man sich unter den Größen, die hier vorkommen, kleine ("infinitesimale") Änderungen vorstellen: Ändert sich x um ein Stück dx, so ändert sich g um ein Stück dg, und daher wiederum ändert sich f um ein Stück df. Gleichung (14' ) drückt eine triviale Beziehung zwischen diesen drei Größen aus, die, im Grenzwert beliebig kleiner Änderungen, zu einer Beziehung dreier Ableitungen wird.
Wir können sie so in Worte fassen: Hängt f nur über g von x ab, so ist die Ableitung von f nach x gleich dem Produkt aus der Ableitung von f nach g (wobei g als Variable behandelt wird) und der Ableitung von g nach x.

Nachbemerkung: Unter Verwendung der Schreibweise f o g für die Verkettung x f(g(x)) kann die Kettenregel (14) auch in der kompakten Form

(f o g) '  =  (f ' o g) g'
  (14'' )

geschrieben werden.

Beispiel: Wir wollen die Ableitung der Funktion u(x) = (5x2 + 3x)2 berechnen. Sie kann als Verkettung der Funktionen f(g) = g2 und g(x) = 5x2 + 3x aufgefasst werden. Beide Funktionen können wir leicht ableiten. Zunächst ist f '(g) = 2g. Der erste Faktor auf der rechten Seite von (14) ist daher  f '(g(x)) = 2(5x2 + 3x). Der ganze Trick besteht darin, g(x), also den Term 5x2 + 3x, so zu behandeln, als wäre er eine einzige Variable! Als zweiter Faktor kommt die innere Ableitung g'(x) = 10x + 3 hinzu. Unser Resultat lautet daher

u'(x)  =  2(5x2 + 3x) (10x + 3).

6.) Ableitung der inversen Funktion (Umkehrfunktion):
     
 
 
    

 f '(x)    =    1
x'( f )
  (15)
Diese Regel besagt: Die Ableitung einer Funktion f : x f(x) ist gleich dem Kehrwert der Ableitung der zu f inversen Funktion x : f x( f ). Anders ausgedrückt: Die Ableitung von f nach x ist gleich dem Kehrwert der Ableitung von x nach f. (Genauer: Die linke Seite ist die Ableitung der Funktion f an einer Stelle x, im Nenner der rechten Seite steht die Ableitung der zu f inversen Funktion an der entsprechenden Stelle f = f(x). Um den Formalismus nicht aufzublasen, haben wir die Funktionen und die Stellen mit denselben Buchstaben bezeichnet). Wir können (15) auch in der (Leibnizschen) Form

df
dx
   =   (  dx
df
 )   1
  ( 15' )

schreiben, siehe (9) für die Schreibweise. Beachten Sie, dass das Symbol f bei der inversen Funktion die unabhängige Variable bezeichnet! Wie (14' ) ist auch diese Rechenregel intuitiv einleuchtend: Ändert sich x um ein Stück dx, so ändert sich f um ein Stück df (und umgekehrt!). Die Differenzenquotienten df /dx und dx/df sind daher die Kehrwerte voneinander. Im Grenzwert beliebig kleiner Änderungen wird daraus die Aussage (15) für die Ableitungen. Diese Konstruktion funktioniert natürlich nur an jenen Stellen, an denen die Ableitung von f existiert und ungleich 0 ist. Wir können sie auch von einem geometrischen Standpunkt aus verstehen: Der Graph der zu f inversen Funktion geht aus jenem von f durch Spiegelung an der ersten Mediane (d.h. am Graphen der identischen Funktion x x) hervor. Dieser Spiegelung entspricht die Vertauschung der Rollen der beiden Koordinaten, und genau das drückt (15) für die Ableitungen aus.

Beispiel: Wir differenzieren die Wurzelfunktion f(x) = x1/2. Deren Inverse ist durch x( f ) = f 2 gegeben. (Um sie zu erhalten, haben wir einfach die Gleichung f = x1/2 nach x gelöst. Die Lösung x = f 2 ist eindeutig, da weder x noch f negativ werden). Die Ableitung der inversen Funktion kennen wir bereits: dx/df = x'( f ) = 2f. (Lassen Sie sich nicht dadurch beirren, dass die unabhängige Variable, nach der nun differenziert wird,  f  heißt!) Nach (15) ist die Ableitung der Wurzelfunktion daher df /dx = f '(x) = 1/(2f ) = 1/(2x1/2), wobei wir im letzten Schritt wieder f = x1/2 gesetzt haben. Das Endresultat lautet: f '(x) = (1/2) × x1/2.


Dank dieser sechs Ableitungsregeln können auch Funktionen, die durch komplizierte Terme gegeben sind, relativ einfach differenziert werden, vorausgesetzt, die Ableitungen der "Bausteine", aus denen sie zusammengesetzt sind, sind bekannt. Für diese muss auf Formel (4) zurückgegriffen werden.

Wir wollen in diesem Abschnitt noch ein letztes Beispiel betrachten: Um die Funktion x x4 zu differenzieren, haben wir vier Möglichkeiten, wobei wir die Ableitungen (x2) ' = 2x und (x3) ' = 3x2 bereits oben berechnet haben und daher als bekannt voraussetzen dürfen:
  • Rückgriff auf Formel (4).
  • x4 als Produkt x2 × x2 auffassen und die Produktregel (12) anwenden.
  • x4 als Produkt x3 × x auffassen und die Produktregel (12) anwenden.
  • x4 als (x2)2, d.h. als Verkettung f(g(x)) mit f(g) = g2 und g(x) = x2 auffassen und die Kettenregel (14) anwenden.
Wir werden auf die Ableitungen von Potenzfunktionen im nächsten Abschnitt eingehen, aber als Übungsaufgabe empfehlen wir Ihnen an dieser Stelle, alle vier Methoden durchzurechnen und sich davon zu überzeugen, dass sie zum gleichen Ergebnis führen.
     



 
    
Eine sehr nützliche Methode, Ableitungen zu berechnen, das so genannte implizite Differenzieren, müssen wir auf ein späteres Kapitel verschieben, da wir die dafür nötige "partielle Ableitung" noch nicht kennen.

 
     

implizites Differenzieren
(in Vorbereitung)
 
    
Ableitung spezieller Funktionen
     
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Wir kommen nun zu den Ableitungen wichtiger spezieller Funktionen. Zusammen mit den oben besprochenen Ableitungsregeln bietet dieser Abschnitt das Rüstzeug für das Differenzieren der wichtigsten in der Mathematik auftretenden Funktionen.

Funktionen, die nicht zu ihrem Lernstoff gehören, überspringen Sie einfach!

 
Potenzfunktionen

Bereits oben haben wir die Ableitungen (x2) ' = 2x und (x3) ' = 3x2 berechnet, als Anwendungsbeispiel von (13) das Resultat (1/x) ' (x1) ' = 1/x2 und als Anwendungsbeispiel von (15) die Regel (x1/2) ' = (1/2) × x1/2 erzielt. Eines der besonders schönen Resultate der Differentialrechung besteht darin, dass die Ableitungen aller Potenzfunktionen durch eine einzige Formel beschrieben werden können:
     

Potenzfunktionen
 
    

( xn ) '   =   n xn 1
  (16)

Sie gilt für alle reellen Werte von n. Damit kennen wir mit einem Schlag auch die Ableitungen von Funktionen wie 1/x2 ( = x2) und x1/2 ( = 1/x1/2). Wir greifen einige interessante Fälle heraus:

   Funktion       Ableitung   
1 0
x 1
x2 2x
x3 3x2
x4 4x3
 1 
x
    1 
x2
 1 
x2
    2 
x3
 1 
x3
    3 
x4
           
   Funktion       Ableitung   
x1/2
 1 
2
  x1/2
x1/2
    1 
2
  x3/2
identisch mit:
  __
 x
  1
____
    __
2 x
  1
____
   __
 x
     1
_____
      __
2x x
 
     


 
     Die Definitionsbereiche der Ableitungen lassen sich unmittelbar daraus ablesen. So ist beispielsweise die Wurzelfunktion x x1/2 für alle x 0 definiert, während deren Ableitung x (1/2) × x1/2 nur für x > 0 definiert ist. An der Stelle 0 ist die Ableitung von x1/2 offensichtlich nicht definiert (denn der Term x1/2 reduziert sich für x = 0 auf den sinnlosen Ausdruck 1/0). Der Grund dafür ist am Graphen der Wurzelfunktion abzulesen: Er besitzt an dieser Stelle eine zur y-Achse parallele ("vertikale") Tangente, und für diese lässt sich klarerweise kein (endlicher) Anstieg angeben.      

Graph der
Wurzelfunktion

 
 
    

 
Polynomfunktionen

Die Berechnung der Ableitung einer Polynomfunktion können Sie mit Hilfe der oben besprochenen Ableitungsregeln auf die Ableitung von Potenzfunktionen, d.h. auf die Regel (16) zurückführen. Um die Graphen der ersten und zweite Ableitung von Polynomfunktionen dritten Grades zu betrachten und zu untersuchen, wie sie von den Koeffizienten abhängen, rufen Sie das nebenstehende Applet auf.
     
Applet
Erste und zweite
Ableitung

 
 
    

 
Winkelfunktionen

Auf wunderschöne Weise hängen die elementaren Winkelfunktionen Sinus und Cosinus (im Bogenmaß) mit ihren Ableitungen zusammen:
     




Sinus und Cosinus
Bogenmaß
 
    

sin'(x)   =   cos x
cos'(x)   =   sin x
(17)
(18)
 
     



 
     Aus diesen ergeben sich mit Hilfe der Quotientenregel (13) und der Identität sin2x + cos2x = 1 die Ableitungen der Tangens- und Cotangensfunktion:

tan'(x)    =      1
cos2x
  
  (19)
 
cot'(x)    =       1
sin2x
  (20)

An den Polstellen von Tangens und Cotangens sind auch deren Ableitungen nicht definiert.
     

Tangens und
Cotangens










Eigenschaften der Winkelfunktionen
 
    

 
Inverse Winkelfunktionen

Wir fassen die Ableitungen der "Arcus-Funktionen" in einer Tabelle zusammen:

   Funktion       Ableitung   
asin x
     1
_______
   _____
  x2
acos x
         1
_______
   _____
  x2
           
   Funktion       Ableitung   
atan x
    1
 1 + x2
acot x
       1
 1 + x2

Auch diese Funktionen sind im Bogenmaß zu verstehen. So ist beispielsweise arcsin(1) = π/2 und arcsin(1) = π/2.
     




inverse
Winkelfunktionen






 
    

 
Exponentialfunktionen

In einem früheren Kapitel sind wir auf die Eulersche Zahl e, die "natürliche Basis", gestoßen. Beim Differenzieren tritt nun ihre besondere Bedeutung für die Mathematik klar zu Tage: Die Exponentialfunktion mit Basis e ist identisch mit ihrer Ableitung:
     




Die Eulersche Zahl e
 
    

( ex ) '   =   ex
  (21)

Mit exp(x) = ex können wir das auch als exp'(x) = exp(x) schreiben. In Wachstumsprozessen tritt oft ein Term der Form ekx auf. Dessen Ableitung berechnet sich mit Hilfe der Kettenregel (14) zu

( ekx ) '   =  k ekx
  (22)

     


 
     Die Ableitung der Exponentialfunktion mit beliebiger Basis a ergibt sich zu

( ax ) '   =   ln a ax
  (23)

Auch dies bezeugt die ausgezeichnete Stellung der Zahl e: Selbst wenn man beschließt, sie nicht zu beachten, tritt in dieser Formel ganz automatisch der natürliche Logarithmus (d.h. der Logarithmus zur Basis e) auf!
     

Umrechnen v. Basen

 
    

 
Hyperbel- und Areafunktionen

Die Ableitungen der Hyperbelfunktionen sind:

   Funktion       Ableitung   

sinh
 x
 
cosh x

cosh
 x
 
sinh x
           
   Funktion       Ableitung   
tanh x 1
cosh2x
coth x
       1
sinh2x

     




Hyperbelfunktionen







 
     Deren Inverse, die "Areafunktionen", haben folgende Ableitungen:

   Funktion       Ableitung   
asinh x
     1
_______
   _____
 1 + x2
acosh x
     1
_______
   _____
 x2  1
           
   Funktion       Ableitung   
atanh x
    1
  x2
acoth x
    1
  x2

Bis auf einzelne Vorzeichen erinnern die Ableitungen der Hyperbel- und Areafunktionen an jene der Winkel- und Arcusfunktionen (s.o.).
     

Areafunktionen





 
    

 
Logarithmen

Ein weiterer Hinweis auf die Bedeutung der Eulerschen Zahl e ergibt sich aus der Ableitung des natürlichen Logaritmus:

ln'(x)    =     1 
x
  (24)

     




Logarithmus



 
     Da die Logarithmusfunktion für negative Argumente nicht definiert ist, wird statt dessen manchmal die Funktion x ln |x| betrachtet. Sie ist für alle x 0 definiert, und ihre Ableitung ist ebenfalls 1/x.

Der Logarithmus zu einer beliebigen Basis a besitzt die Ableitung

alog'(x)    =    1
x ln a
  (25)

In ihr tritt, ähnlich wie in (23), automatisch der natürliche Logarithmus auf, selbst wenn zuvor von der Zahl e gar nicht die Rede war!




     




Umrechnen v. Basen


 
     Mit den in diesem Abschnitt wiedergegebenen Ableitungen und den weiter oben besprochenen Ableitungsregeln sollten Sie in der Lage sein, die meisten termdefinierten Funktionen zu differenzieren, insbesondere beliebige Polynom- und rationale Funktionen.
Beispiel 1:

1
(2x4 + 1)3
 )  '     =       24x3
(2x4 + 1)4
  
  (26)

Dabei wurden (10), (11), zweimal (16) und die Kettenregel (14) verwendet. Führen Sie die Rechnung selbst durch!
     

Polynome und
rationale Funktionen
 
    
Beispiel 2:

( ex2 ) '   =  2x ex2 
  (27)

Frage: Welche Regeln wurden benutzt, um diese Ableitung zu berechnen?
Auf einige weitere Funktionen, die vom Standpunkt des Differenzierens größere Sorgfalt erfordern, werden wir im zweiten Differenzieren-Kapitel zu sprechen kommen.

 
     

Differenzieren 2
 
 
    
Monotonie, Extrema und Wendepunkte
     
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Falls die Ableitung einer Funktion f in jedem Punkt eines Intervalls existiert und positiv (negativ) ist, so ist f in diesem Intervall streng monoton wachsend (fallend). Intuitiv leuchtet das ein, da die Tangente an den Graphen in jedem Punkt ansteigt (abfällt), und wir verzichten hier auf einen formalen Beweis.

Von besonderer Bedeutung sind jene Stellen, an denen sich das Monotonieverhalten ändert:
  • Ist die Ableitung innerhalb eines Intervalls für x < x0 positiv und für x > x0 negativ, und gilt f '(x0) = 0, so heißt x0 lokale Maximumstelle. Der entsprechende Punkt (x0, f(x0) am Graphen heißt Hochpunkt.
  • Ist die Ableitung innerhalb eines Intervalls für x < x0 negativ und für x > x0 positiv, und gilt f '(x0) = 0, so heißt x0 lokale Minimumstelle. Der entsprechende Punkt (x0, f(x0) am Graphen heißt Tiefpunkt.
Lokale Minimum- und Maximumstellen werden unter dem gemeinsamen Namen lokale Extremstellen (oder kurz lokale Extrema) zusammengefasst. An den entsprechenden Punkten besitzt der Graph eine horizontale Tangente (Anstieg 0). Der Zusatz "lokal" bezieht sich darauf, dass der Funktionswert an der betrachteten Stelle größer (kleiner) ist als an allen (genügend nahen) Nachbarstellen. Irgendwo außerhalb des betrachteten Intervalls können durchaus noch größere (kleinere) Funktionswerte auftreten. Daher kann eine Funktion mehrere lokale Extremstellen (mit gleichen oder unterschiedlichen Funktionswerten) besitzen. Bei den Hoch- und Tiefpunkten handelt es sich, bildlich gesprochen, um lokale Gipfel- und die Talpunkte des Graphen.
Bemerkung: Ist eine Funktion nicht für alle reellen Zahlen definiert, so können lokale Extrema auch an den Randstellen ihres Definitionsbereichs auftreten. Dort muss allerdings die Ableitung nicht 0 sein. So sei beispielsweise die Funktion, deren Graph rechts gezeigt ist, im (blau gekennzeichneten) abgeschlossenen Intervall [a, b] definiert. Dann besitzt sie sowohl an der linken Randstelle a als auch an der rechten Randstelle b je ein lokales Maximum und im Inneren des Intervalls, an der Stelle c, ein lokales Minimum. Die Ableitungen an den Randstellen sind nicht 0, da die Tangenten an den Graphen dort nicht horizontal sind. Bei der Suche nach lokalen Extrema einer gegebenen Funktion sollte man daher immer die Möglichkeit erwägen, dass sich an den Randstellen des Definitionsbereichs welche befinden.
Aus f '(x0) = 0 folgt nicht automatisch, dass x0 eine lokale Extremstelle ist. So verschwindet beispielsweise die Ableitung der Funktion x x3 an der Stelle x0 = 0. Sehen Sie sich Ihren Graphen (z.B. mit dem Funktions-Plotter) an! Eine solche Stelle heißt Sattelstelle (und der entsprechende Punkt am Graphen heißt Sattelpunkt).
 
     




Monotonie
 
     Um also (von möglichen Randstellen abgesehen) die Extremstellen einer gegebenen (differenzierbaren) Funktion f zu ermitteln, muss
  1. die Ableitung f ' berechnet und
  2. die Gleichung f '(x0) = 0 gelöst werden.
  3. Die Lösungen (d.h. die Zahlen x0, für die f '(x0) = 0 gilt) sind Kandidaten für Extremstellen. Welche von ihnen tatsächlich lokale Maxima oder Minima darstellen, muss dann noch extra entschieden werden. Wir werden dieses Thema im Kapitel über Anwendungen der Differentialrechung wieder aufnehmen.
     

Kriterien für lokale Extrema
 
    
Besitzt die Ableitungsfunktion f ' selbst wieder eine Ableitung (die zweite Ableitung f ''), so wird eine lokale Extremstelle von f ' als Wendestelle von f bezeichnet, der zugehörige Punkt am Graphen von f als Wendepunkt. An einer Wendestelle x0 gilt f ''(x0) = 0. An ihr besitzt die Ableitung f ' ein lokales Maximum (Minimum), d.h. an Punkten x nahe x0 ist f '(x) kleiner (größer) als f '(x0). Bildlich ausgedrückt: An einem Wendepunkt ist der Graph "am steilsten" bzw. "am wenigsten steil". Sein Name rührt daher, dass sich an ihm die Tangente von einer Seite des Graphen auf die andere "wendet". (Die Tangente im Wendepunkt heißt daher auch Wendetangente). Kandidaten für Wendepunkte einer gegebenen Funktion f sind die Lösungen der Gleichung f ''(x0) = 0 (d.h. die Zahlen x0, für die f ''(x0) = 0 gilt). Handelt es sich bei einem solchen x0 tatsächlich um einen Wendepunkt, so ist f '(x0) der Anstieg der Wendetangente.

Wir belassen es hier bei dieser kurzen Begriffsvorstellung. Weiterführendes über Extrema und Wendestellen werden wir im Kapitel über Anwendungen sagen.

 
     

lokale Extrema

Wendestellen

 
 
    
Die Ableitung als Änderungsrate
     
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Die Ableitung einer Funktion f an der Stelle x0 kann als Änderungsrate von f an der Stelle x0, d.h. als Änderung des Funktionswerts pro kleiner ("infinitesimaler") Änderung des Arguments x in der Nähe der Stelle x0 interpretiert werden: Ist x sehr klein, so gibt der Differenzenquotient ungefähr die Ableitung an: f /x f '(x0). Wir schreiben diese Beziehung als

f    f(x0 + x) f(x0)      f '(x0x .
(28)

Sie gilt umso genauer, je kleiner x ist. (Anstelle von x und f werden in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnungen δx und δf oder dx und df verwendet. Die griechischen Buchstaben und δ Delta und delta werden in der Mathematik oft als "Änderung von" gelesen). In Worten: Ändert sich x um x, so ändert sich f ungefähr um f '(x0x. Die Änderung x spielt dabei die Rolle des oben in (1) und (4) verwendeten ε. Derselbe Zusammenhang kommt auch in den Schreibweisen (9) zum Ausdruck.
Der Differenzenquotient (1) kann als mittlere Änderungsrate im Intervall [x0, x0 + ε] interpretiert werden. In diesem Sinn ist die Änderungsrate an einer Stelle der Grenzwert der mittleren Änderungsrate für gegen 0 strebende Intervallgröße.
Für eine lineare Funktion f (deren Graph eine Gerade ist) gilt in (28) das Gleichheitszeichen. Das wirft ein weiteres Licht auf den Begriff der Ableitung: Sie entspringt der Idee, eine gegebene Funktion an einer Stelle durch eine lineare Funktion (deren Graph eine Gerade ist) bestmöglich zu approximieren. Die Änderungsrate einer Funktion ist definiert als die Änderungsrate dieser "bestmöglichen" linearen Funktion (oder, ins Geometrische übersetzt: als Anstieg der Tangente an den Graphen).
Beispiel: Wir betrachten die Funktion f(x) = x2 x. An der Stelle x0 = 3 hat sie den Wert 6, d.h. f(3) = 6.
Aufgabenstellung: Man benutze (28), um f(3.001) näherungsweise zu berechnen!
Wir berechnen die Ableitung f '(x) = 2x 1, daher f '(3) = 5. Nun ändert sich das Argument von 3 auf 3.001, d.h. um x = 0.001. Mit (28) ergibt sich die zugehörige Änderung des Funktionswerts zu  f  5 × 0.001, woraus folgt: f(3.001)    6 + 5 × 0.001 = 6.005.
Vergleichen Sie dieses Ergebnis mit dem exakten Wert von f(3.001) ! (Benutzen Sie etwa den Mini-Rechner oder JavaCalc).
Mit Hilfe der nebenstehenden Flash-Animation können Sie zur Übung die Ableitung der Funktion f(x) = x2 an verschiedenen Stellen als Änderungsrate (Differenzenquotient) näherungsweise "messen".
     
Flash
Ableitungen messen
 
    
Eine Bemerkung noch zur Bezeichnung Rate. Eine "Rate" erkennt man an der Verwendung des Wortes "pro" oder an der Formulierung "bezogen auf". So ist beispielsweise die Geschwindigkeit die Änderung des Ortes bezogen auf die benötigte Zeit (man kann auch sagen: die Änderung des Ortes pro Zeiteinheit oder pro Sekunde). Geschwindigkeit ist daher die (zeitliche) Änderungsrate des Ortes. Beschleunigung (die zweite Ableitung des Ortes nach der Zeit) ist die (zeitliche) Änderungsrate der Geschwindigkeit.

Achtung: Die Bezeichnungsweise ist nicht ganz einheitlich, was den Begriff der "Rate" betrifft. Der nebenstehende Button ruft einige Bemerkungen hierzu (anhand der Wachstumsrate exponentieller Prozesse) auf.

 
     
Zum Begriff der


 
 
    
Computer können differenzieren
     
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Um eine termdefinierte Funktion zu differenzieren, müssen lediglich die Ableitungen ihrer Bestandteile bekannt sein. Der Rest ergibt sich aus der Anwendung einiger Ableitungsregeln, die wir oben zusammengestellt haben. Der ganze Prozess geschieht gewissermaßen nach Kochrezept, kann also von Computerprogrammen, insbesondere von Computeralgebra-Systemen (z.B. Mathematica, Maple, DERIVE, TI-92 und TI-89/Voyage 200) übernommen werden.

Im Rahmen des an der Vanderbilt University zur Verfügung gestellten MathServ Project finden Sie das auf Mathematica beruhende Online-Werkzeug


wobei Sie unter "Number of Derivatives" eingeben können, bis zur wievielten (höheren) Ableitung gerechnet werden soll, sowie zahlreiche weitere Programme, die zur Lösung verschiedener Probleme Funktionen differenzieren. Sie können sie verwenden, um Versuchen Sie aber trotz dieser Hilfen, das händische Differenzieren ein bisschen zu üben, damit Sie wissen, was diese Programme machen.

 
     
 
 
    
Ausblicke
     
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Zahlreiche Methoden der modernen Mathematik (und der meisten Anwendungsgebiete, allen voran der Physik) bauen auf der Differentialrechnung auf. Wir werden ihr in zahlreichen späteren Kapitel begegnen, wovon wir hier nur einige nennen:
     
 
 
    
  • In einem Kapitel, das Anwendungen der Differentialrechnung gewidmet ist, wird es vor allem um Methoden zur Analyse von Funktionen ("Kurvendiskussion"), zum Auffinden von Extremstellen ("Extremwertaufgaben") und zum Lösen von Gleichungen gehen.
  • Mit Hilfe der Differentialrechnung ist es möglich, Funktionen als "Potenzreihen" zu approximieren. Damit stehen mächtige Analyse- und Berechnungsverfahren zur Verfügung. Beispiel: ex = 1 + x + x2/2 + x3/6 + ...
  • Im zweiten Differenzieren-Kapitel werden wir die theoretischen Konzepte der Differenzierbarkeit von Funktionen und der Ableitung genauer formulieren und weiterentwickeln.
  • Auch Funktionen in mehreren Variablen können differenziert werden. Berechnen Sie die Ableitung der Funktion f(x, y) = x2 y2 nach x (d.h. behandeln Sie y als Konstante)! Damit haben Sie eine partielle Ableitung berechnet. Vielleicht haben Sie den Ausdruck "Gradient" schon gehört (zum Beispiel im Wetterbericht). Er ist ein Vektor, dessen Komponenten partielle Ableitungen sind. Mehr darüber in einem späteren Kapitel.
  • Gibt es eine Funktion f, deren Ableitung gleich ihrem Quadrat ist, d.h. für die f '(x) = f(x)2 gilt? Wenn es Ihnen gelingt, eine zu finden (mit ein bisschen Probieren ist das gar nicht so schwer), haben Sie eine Differentialgleichung gelöst. Die Dynamik zahlreicher Systeme (vom freien Fall eines Körpers bis zur Expansion des Universums) lässt sich mit Hilfe solcher Gleichungen modellieren.
     

Anwendungen der
Differentialrechnung


Potenzreihen

Differenzierbarkeit

Partielles
Differenzieren

(in Vorbereitung)
Differential-
gleichungen

(in Vorbereitung)
 
    
Darüberhinaus ist die Differentialrechnung Grundlage weiterer Gebiete der Mathematik, insbesondere der Integralrechnung, die in gewisser Weise eine "Fortsetzung" darstellt.

Damit sind wir am Ende dieses wichtigen Kapitels angelangt. Kehren Sie bei Bedarf später wieder zu ihm zurück, um die Ableitungen konkreter Funktionen nachzuschlagen, Berechnungsmethoden zu wiederholen und Ihr Verständnis zu vertiefen.

 
     


Integralrechnung
 


 
Die in diesem Kapitel empfohlenen Web-Ressourcen:
 
Weitere Angebote von mathe online zum Thema:
Angebote des MathServ Project:

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mathe online Funktions-Plotter
mathe online Mini-Rechner
JavaCalc

Siehe auch die interaktiven Tests zum Thema.

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