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Das Unendliche in den Griff bekommen |
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Das"Unendliche" ist eine mysteriöse Angelegenheit. Zunächst ist es ein Ding, mit dem sich schlecht rechnen lässt, wenn man es
allzu wörtlich auffasst.
Vielleicht haben Sie schon die Warnung gehört, dass es keine "unendlich große Zahl" gibt. Rein gefühlsmäßig
erhalten wir etwas "unendlich Großes", wenn wir durch dividieren. Überlegen wir einmal:
12 dividiert durch 4 ist 3, da 4 "3 mal in 12 hineinpasst". |
12 dividiert durch 3 ist 4, da 3 "4 mal in 12 hineinpasst". |
12 dividiert durch 1 ist 12, da 1 "12 mal in 12 hineinpasst". |
12 dividiert durch 0.1 ist 120, da 0.1 "120 mal in 12 hineinpasst". |
12 dividiert durch 0.001 ist 12000, da 0.001 "12000 mal in 12 hineinpasst". |
Je kleiner die Zahl, durch die dividiert wird, umso größer ist das Ergebnis. Also müsste dann nicht
"12 dividiert durch 0 gleich Unendlich" sein", da "0 unendlich oft in 12 hineinpasst"?
Vielleicht wissen Sie schon, dass die Mathematik ein Symbol für "unendlich" besitzt, nämlich die "liegende Acht":
\infty.
Ist es da nicht naheliegend, eine Rechnung wie "12 : 0 =\infty" hinzuschreiben?
Jetzt erinnern wir uns aber, dass die Grundrechnungsarten auch mit negativen Zahlen funktionieren:
12 dividiert durch –4 ist –3. |
12 dividiert durch –3 ist –4. |
12 dividiert durch –1 ist –12. |
12 dividiert durch –0.1 ist –120. |
12 dividiert durch –0.001 ist –12000. |
So gesehen könnte "12 dividiert durch 0" auch so etwas wie "minus Unendlich" sein, also
"12 : 0 =-\infty". Und da haben wir schon das erste
Problem! -\infty und \infty entsprechen ganz unterschiedlichen Vorstellungen.
Daher kann "12 : 0" nicht gleichzeitig \infty und -\infty sein.
Schade. Es bleibt also dabei, dass die Division "12 : 0" sinnlos (genauer: undefiniert, man kann auch sagen "verboten") ist.
Weitere Probleme folgen auf dem Fuß, wenn versucht wird, Unendlich als Zahl aufzufassen, für die zumindest die Grundrechnungsarten
in vernünftiger Weise anwendbar sind. Es ginge ja noch an, 2\infty=\infty zu schreiben, aber was sollte beispielsweise \infty-\infty sein?
Wird eine Zahl von sich selbst abgezogen, so ist das Ergebnis 0, was \infty-\infty=0 nahelegen würde. Wird aber
das erste \infty durch 2\infty ersetzt, so ergibt sich \infty-\infty=2\infty-\infty, was nach den üblichen Rechengesetzen gleich \infty
sein müsste. Ist \infty-\infty also jetzt 0 oder \infty?
Wie wir es auch drehen und wenden: "Unendlich" als Zahl aufzufassen, führt uns in Teufels Küche!
Andererseits kann es manchmal sinnvoll sein, Größen beliebig groß werden zu lassen.
Stellen wir uns beispielsweise vor, dass jede natürliche Zahl durch die nächstgrößere dividiert wird.
Also:
1 : 2 = 0.5 |
2 : 3 = 0.66666... |
3 : 4 = 0.75 |
4 : 5 = 0.83333... |
6 : 7 = 0.85714... |
.............. |
49 : 50 = 0.98 |
50 : 51 = 0.98039... |
.............. |
99 : 100 = 0.99 |
..... usw. ..... |
Wenn wir gedanklich alle natürlichen Zahlen durchlaufen und bei jedem Schritt diese Operation ausführen, so wird das Ergebnis immer näher bei 1 liegen,
je weiter man geht. Es wird nie exakt gleich 1 sein, da ja immer zwei voneinander verschiedene Zahlen dividiert werden, aber
es wird beliebig nahe bei 1 liegen, wenn man nur ausreichend weit geht.
Wir sagen auch: "Das Ergebnis strebt gegen 1".
Hier haben wir unser erstes Beispiel für einen Grenzprozess (oder Grenzübergang). Formalisieren wir ihn ein bisschen: Für jede natürliche
Zahl n haben wir den Quotienten
gebildet. So ergibt sich etwa für n=49 das Ergebnis des 49sten Schritts:
49/50 = 0.98. Die Zählvariable n wird nie "unendlich groß", aber wir stellen uns in Gedanken vor, sie
werde fortlaufend um 1 erhöht, ohne Ende.
Dass dann das Ergebnis der Division (1) gegen 1 strebt,
schreiben wir formal in der Form
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{n\over n+1}=1
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(2) |
an und sprechen
"Der Grenzwert für n gegen Unendlich von n\over n+1 ist gleich 1"
oder
"Der Grenzwert von n\over n+1 für n gegen Unendlich ist gleich 1",
wobei anstelle von "Grenzwert" auch der gleichbedeutende Begriff "Limes" verwendet werden kann. Die Zeichensequenz n\to\infty wird als
"n gegen Unendlich" oder "für n gegen Unendlich" ausgesprochen.
Tritt das Limes-Symbol in einer Textzeile oder in einem Nenner auf, so kann es aus Platzgründen
auch die Form \lim_{n\to\infty} annehmen.
Das Besondere an diesem Beispiel ist, dass wir uns nicht auf eine "unendlich große Zahl" beziehen, sehr wohl aber
auf einen gedanklichen Prozess, in dem die Zählvariable n beliebig groß wird.
Ein solcher "Übergang" von einer endlichen Größe zu einer unbegrenzt wachsenden Größe
und schließlich zum Ergebnis dieses Prozesses
(und ganz allgemein der "Übergang" in eine neue Situation mit Hilfe eines Prozesses des Größer-
oder Kleinerwerdens oder der Annäherung) wird auch Grenzübergang genannt.
Dieser Grundgedanke,
das Unendliche in den Griff zu bekommen, wird sich - nach einigen vorbereitenden Überlegungen - durch den Rest dieses Kapitels ziehen.
Was wir im Folgenden beschreiben, ist
eigentlich nur eine genauere Ausarbeitung dieser Idee und ihre Anwendung auf Situationen, die in vielen
Bereichen der modernen Mathematik (etwa betreffend die Stetigkeit von Funktionen oder die Differentialrechnung)
benötigt werden.
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Stetigkeit
Differentialgleichungen
(in Vorbereitung)
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Folgen, Konvergenz und Grenzwerte |
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Zum Seitenanfang | |
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Im einführenden Beispiel haben wir Quotienten der Form (1) betrachtet, wobei n die Menge der natürlichen Zahlen
durchläuft, also nacheinander 1, 2,
3,... gesetzt wird.
(Wie im Kapitel über Zahlen angemerkt, wird in vielen Lehrbüchern die Null zu den natürlichen Zahlen
gezählt. Welche Konvention für die Bezeichnung "natürliche Zahlen" man verwendet,
macht hier nicht viel Unterschied). Auf diese Weise erhalten wir die fortlaufende Liste
{1\over 2},{2\over 3},{3\over 4},{4\over 5},{5\over 6},{6\over 7},{7\over 8},\dots
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(3) |
Wir können auch von einer "unendlichen Liste" sprechen, da sie nie endet. Der mathematische Terminus dafür ist
(unendliche) Folge. Allgemein verstehen wir unter einer Folge einfach eine Liste von Objekten.
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natürliche Zahlen
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- Eine endliche Folge ist Liste von endlich vielen Objekten.
- Eine unendliche Folge ist eine nie endende Liste von Objekten.
Da wir in diesem Kapitel keine endlichen Listen (also keine endlichen Folgen) betrachten werden,
sparen wir uns den Zusatz "unendlich" und sprechen einfach von Folgen. Die Liste (3) ist eine
Folge reeller Zahlen, kurz eine reelle Zahlenfolge. Ganz allgemein können wir eine reelle Zahlenfolge als
Abbildung (Funktion) von der Menge der natürlichen Zahlen \mathbb{N} in die Menge der reellen Zahlen \mathbb{R} auffassen.
Bezeichnen wir sie mit dem Symbol a, so können wir das durch die Schreibweise
a:\mathbb{N}\to \mathbb{R} zum Ausdruck bringen. Im obigen Beispiel sind ihre Werte durch die Eintragungen der Liste (3) gegeben.
Für Folgen ist es üblich, die Funktionswerte nicht als a(1), a(2), a(3) usw. anzuschreiben, sondern in der Form
a_1, a_2, a_3 usw. Dann wird a_1 das erste Folgenglied genannt, a_2 das zweite Folgenglied usw.
Allgemein ist a_n das n-te Folgenglied. Ein tiefgestelltes Symbol (wie das n in a_n) heißt Index.
Wir werden den Index, der die Folgenglieder durchnummeriert, meist mit dem Buchstaben n bezeichnen, aber
es kann auch jedes anderes Symbol verwendet werden.
Mit der Definition
a_n={n\over n+1}\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}
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(4a) |
(wobei der Zusatz n\in\mathbb{N} ausdrückt, dass n für eine beliebige natürliche Zahl steht)
ist die Folge (3) mit einem Schlag eindeutig festgelegt. Eine Vorschrift, die die Werte der Glieder
einer Folge eindeutig festlegt, nennen wir ein Bildungsgesetz. Besteht das Bildungsgesetz wie in (4a)
darin, dass das n-te Folgenglied durch eine Formel gegeben ist und durch Einsetzen von n unmittelbar
erhalten wird, so nennen wir das eine explizite Darstellung oder ein explizites Bildungsgesetz.
Wir werden später auch einen anderen Typ von Bildungsgesetzen kennen lernen.
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Abbildung
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Manchmal ist es günstig, die Zählung einer Folge mit 0 zu beginnen. Das erste Folgenglied wird dann mit
a_0 bezeichnet, das zweite mit a_1 usw. Eine solche Folge können wir als Abbildung \mathbb{N}_0\to \mathbb{R}
auffassen, wobei \mathbb{N}_0=\{0\}\cup\mathbb{N} die Menge aller natürlichen Zahlen einschließlich der 0
ist. Ob der erste Wert einer Folge a_0 oder a_1 heißt, ist eine Sache des Geschmacks und
manchmal auch eine Sache der Bequemlichkeit. In der Regel wird diejenige Konvention gewählt, mit der sich die Dinge, die
man mit einer Folge machen möchte, einfacher gestalten. Die durch (4a) definierte Folge
könnte ebensogut durch das Bildungsgesetz
b_n={n+1\over n+2}\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
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(4b) |
festgelegt werden, wobei wir einen anderen Buchstaben gewählt haben, um Verwechslungen zu vermeiden.
Überprüfen wir: Mit n=0 ergibt sich das erste Folgenglied zu b_0=1/2, das zweite ist b_1=2/3 usw.
Die beiden Formeln (4a) und (4b) gehen ineinander über,
wenn in der ersten n durch n+1 oder in der zweiten n durch n-1 ersetzt wird. Dieser
Zusammenhang kann auch durch die einfache Beziehung b_n=a_{n+1} (für alle n\in\mathbb{N}_0) oder
a_n=b_{n-1} (für alle n\in\mathbb{N}) ausgedrückt werden. Um die Liste (3) zu beschreiben, sind beide
Varianten gleich gut.
Um Folgen kompakt angeben zu können, sind verschiedene Schreibweise üblich, wie etwa
\langle{\Large n\over \Large n+1}\rangle oder
\large({\Large n\over \Large n+1}\large)_{n=1}^\infty oder
\langle a_n\rangle oder (a_n)_{n=1}^\infty ,
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(5a) |
wobei die Versionen mit den runden Klammen zusätzlich ausdrücken, dass n von 1
an gezählt wird. Mit
wäre dann eine Folge bezeichnet, für die auch n=0 zugelassen ist. Wir werden hier die Schreibweise mit der
spitzen Klammer verwenden, wobei es in den meisten Fällen klar ist, ob mit 0 oder 1 zu zählen begonnen wird
(oder keine Rolle spielt).
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natürliche Zahlen
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Grafische Darstellung von Folgen
Ebenso wie reelle Funktionen können reelle Folgen grafisch dargestellt werden, indem für
einen gegebenen Bereich von n die Werte a_n der Folgenglieder vertikal aufgetragen werden
(d.h. positive nach oben und negative nach unten).
Da eine Folge auf diese Weise durch Punkte in der Ebene dargestellt wird, sprechen wir von Punktgraphen.
So sieht beispielsweise der Punktgraph der durch (4a) gegebenen Folge im Bereich 1\leq n\leq 12 so aus:
Wir erkennen, dass die Folgenglieder mit zunehmendem n wachsen und können ihre Werte
(wie etwa a_3=0.75, was gerade der dritten Zahl in der Aufzählung (3) entspricht) zumindest näherungsweise ablesen.
Manchmal ist das Verhalten einer Folge besser erkennbar, wenn die Punkte durch Linien verbunden werden:
Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die "Zwischenwerte", die diese Linien darstellen, nicht zur Folge gehören.
Andere Darstellungen ergeben sich, wenn die vertikalen Striche oder die Punkte weggelassen werden.
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reelle Funktionen
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Punktgraphen sind mit den Graphen reeller Funktionen, wie Sie sie wahrscheinlich bereits kennen, eng verwandt. Wenn Sie den Graphen
einer solchen Funktionen (beispielsweise f(x)=x^2) auf einem Blatt Papier zeichnen und dazu mit den Punkten beginnen, die den Zeilen
einer Wertetabelle entsprechen, so zeichnen Sie de facto einen Punktgraphen. Danach verbinden Sie die Punkte durch eine
Kurve. Im Fall von Folgen mit explizitem Bildungsgesetz (beispielsweise a_n=n^2) betrachten Sie dieses als formelmäßigen
Ausdruck einer Wertetabelle und lassen einfach den letzten Schritt weg (oder verbinden die Punkte durch gerade Linien
wie in der letzten Grafik oben, behalten aber im Gedächtnis, dass diesen Linien keine Folgenglieder entsprechen)!
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Wertetabellen
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Spezielle Folgen
Folgen können benutzt werden, um Veränderungsprozesse einer (diskreten) Größe auszudrücken.
Die zwei einfachsten Typen von Folgen. die dies leisten, sind die arithmetischen und die geometrischen Folgen:
Arithmetische Folgen
Eine arithmetische Folge ist eine Folge, für die die Differenz zweier aufeinanderfolgender Glieder konstant ist.
Zwei Beispiele arithmetischer Folgen sind
4,7,10,13,16,19,22,25,\dots
und
4,1,-2,-5,-8,-11,-14,-17,\dots
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(6a)
(6b) |
Die erste drückt ein lineares Wachstum aus: Beginnend mit 4 wird zu jeden Glied 3 addiert, um zum nächsten
zu kommen. Bei der zweiten wird, beginnend mit 4, von jedem Glied 3 subtrahiert, um zum nächsten zu kommen.
Im ersten Fall ist die Differenz aufeinanderfolgender Glieder 3, im zweiten ist sie -3.
Ist allgemein \langle a_n\rangle eine arithmetische Folge, so ist a_{n+1}-a_n von n unabhängig.
Das Bildungsgesetz einer arithmetischen Folge ist linear. Die Bildungsgesetze der beiden Folgen
(6a) und (6b) können in der Form
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lineare Funktion
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a_n=4+3n\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
und
a_n=4-3n\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
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(7a)
(7b) |
angeschrieben werden. In beiden Fällen ist das n-te Folgenglied duch a_{n-1} gegeben, da wir hier
mit n=0 zu zählen beginnen. Allgemein kann eine arithmetische Folge durch ein Bildungsgesetz der Form
a_n=a_0+k\,n\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
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(8) |
charakterisiert werden, wobei k die Differenz zweiter aufeinanderfolgender Folgenglieder ist, denn aus
(8) folgt a_{n+1}=a_0+k\,(n+1), und daher gilt
a_{n+1}-a_n=a_0+k\,(n+1)-(a_0+k\,n)=a_0+k\,n+k-a_0-k\,n=k für alle n\in\mathbb{N}_0.
Eine arithmetische Folge mit k>0 kann verwendet werden, um das
lineare Wachstum einer Größe auszudrücken. Wenn jemand beispielsweise ab einem bestimmten Alter
in der ersten Woche 10 Euro Taschengeld bekommt, in zweiten Woche 12 Euro, in dritten Woche 14 Euro usw.
(also in jeder Woche um 2 Euro mehr als in der vergangenen), so wächst sein Taschengeld linear. Das Bildungsgesetz ist
a_n=10+2n für n\in\mathbb{N}_0. In diesem Fall ist a_0=10 und k=2.
Nach einem Jahr (in der 52sten Woche) erhält der Glückspilz bereits a_{51}=10+2\cdot 51=112 Euro Taschengeld.
Das illustriert den Sinn eines Bildungsgesetzes: Wir mussten nicht 52 Wochen der Reihe nach durchzählen, um zu diesem Ergebnis zu
gelangen! Der Punktgraph dieser Folge für die ersten 16 Wochen (also für den Bereich 0\leq n \leq 15) sieht so aus:
Auch in der grafischen Darstellung zeigt die Folge ein lineares Verhalten.
Klarerweise werden die Glieder einer arithmetische Reihe mit k>0 beliebig groß.
Eine arithmetische Folge mit k<0 stellt die lineare Abnahme einer Größe dar.
Für k=0 ergibt sich der Spezialfall einer konstanten Folge, d.h. einer Folge, deren Glieder alle gleich sind.
Geometrische Folgen
Eine geometrische Folge ist eine Folge, für die der Quotient zweier aufeinanderfolgender Glieder konstant ist.
Zwei Beispiele geometrischer Folgen sind
3,6,12,24,48,\dots
und
3,{3\over 2},{3\over 4},{3\over 8},{3\over 16},{3\over 32},\dots
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(9a)
(9b) |
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Die erste entsteht, ausgehend von 3, indem das jeweils vorherige Folgenglied verdoppelt (also mit 2 multipliziert) wird.
Die zweite entsteht, ausgehend von 3, indem das jeweils vorherige Folgenglied halbiert (also mit 1/2 multipliziert) wird.
Die erste drückt ein exponentielles Wachstum aus, die zweite eine exponentielle Abnahme.
Den exponentiellen Charakter können wir sehr schön erkennen, in dem wir die Bildungsgesetze dieser
beiden Folgen aufschreiben. Für die erste Folge ist das erste Glied 3, das zweite 3\cdot 2, das dritte
3\cdot 2^2, das vierte 3\cdot 2^3 usw. Das n-te Glied ist daher 3\cdot 2^{n-1}.
Für die zweite Folge ist das erste Glied 3, das zweite 3/2, das dritte
3/2^2, dar vierte 3/2^3 usw. Das n-te Glied ist daher 3/2^{n-1}. Die Bildungsgesetze lauten daher
a_n=3\cdot 2^n\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
und
a_n={3\over 2^n}\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0\,{\sf \small .}
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(10a)
(10b) |
In beiden Fällen beginnen wir mit n=0 zu zählen (also wieder: a_0 ist das erste Folgenglied, a_1 das zweite usw).
Allgemein kann eine geometrische Folge durch ein Bildungsgesetz der Form
a_n=a_0\,q^n\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
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(11) |
charakterisiert werden, wobei q der Quotient zweiter aufeinanderfolgender Folgenglieder ist, denn aus
(11) folgt a_{n+1}=a_0\,q^{n+1}, und daher gilt
{a_{n+1}\over a_n}={a_0\,q^{n+1}\over a_0\,q^n}=q für alle n\in\mathbb{N}_0.
Geometrische Folgen als Modelle für exponentielles Wachstum (mit q>1) oder exponentielle Abnahme (mit 0 < q < 1)
sind dadurch charakterisiert, dass der Zuwachs oder die Verminderung
proportional zum Wert des jeweils vorherigen Folgengliedes ist. Man könnte ein solches Verhalten auch als "prozentuelle"
Zu- oder Abnahme bezeichnen. Bei der Folge (9a) bzw. (10a) wachsen die Glieder
in jedem Schritt um 100% an, bei der Folge (9b) bzw. (10b) nehmen die Glieder
in jedem Schritt um 50% ab. Der exponentielle Charakter dieser Folgen zeigt sich auch in deren Punktgraphen (jeweils
für die ersten 5 Glieder, d.h. im Bereich 0\leq n\leq 4):
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Punktgraph von (9a) bzw. (10a) |
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Punktgraph von (9b) bzw. (10b) |
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exponentielles Wachstum und
exponentielle Abnahme
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Beispiele für Prozesse, die durch geometrische Folgen beschrieben werden, sind das Bakterienwachstum
(wobei die Folgenglieder beispielweise die Zahl der Bakterien zu jeder vollen Stunde angeben)
und der radioaktive Zerfall
(wobei die Folgenglieder beispielsweise die in Jahresschritten bestimmte Zahl der noch vorhandenen Atome des
zerfallenden radioaktiven Elements angeben). Exponentielle Prozesse können auch durch Funktionen
\mathbb{R}\to\mathbb{R} beschrieben werden. Im Kapitel über Exponentialfunktionen und Logarithmus wurde
mehr darüber gesagt.
Wird q<0 gewählt, so haben (für a_0\neq 0) aufeinanderfolgende Folgenglieder
unterschiedliches Vorzeichen. Ist beispielsweise a_0 positiv, so ist a_1=a_0\,q negativ (da es das Produkt einer
positiven und einer negativen Zahl ist). a_2 erhalten wir durch Multiplikation von a_1 mit q, was nun das
Produkt zweier negativer Zahlen und damit positiv ist, usw.
Eine Folge, deren Glieder abwechselnd nicht-negativ und nicht-positiv sind, nennen wir eine alternierende Folge.
Für q<0 wird im Bildungsgesetz (11) oft q^n in der Form (-1)^n |q|^n geschrieben,
also beispielsweise (-3)^n in der Form (-1)^n\,3^n oder (-{1\over 2})^2 in der Form (-1)^n\over 2^n.
Am Faktor (-1)^n, der für gerades n gleich 1 und für ungerades n gleich -1 ist, erkennen wir dann
den alternierenden Charakter der Folge.
Als Beispiel wählen wir a_0=3 und q=-0.9. Das Bildungsgesetz lautet a_n=3\,(-1)^n\,0.9^n.
Der Punktgraph sieht im Bereich 0\leq n\leq 22 in zwei unterschiedlichen Darstellungen so aus:
Aus der linken Version geht das Verhalten der Folge nicht sehr deutlich hervor. Daher sind die Punkte in der rechten Grafik mit
geraden Strichen verbunden.
Für q=0 ergibt sich schließlich der Spezialfall einer konstanten Folge.
Rationale Folgen
Eine große Klasse von Folgen, die ganz unterschiedliches Verhalten zeigen können, sind die rationalen Folgen.
Das sind Folgen, deren Bildungsgesetz durch eine rationale Funktion in n, d.h. durch einen Quotienten von Polynomen definiert ist.
Die Folgen (4a) und (4b) sind von diesem Typ.
Hier drei weitere Beispiele:
a_n={3n^2-2\over n+1}\,{\small ,}\qquad b_n={n-1\over 3n^2+2}\,{\small ,}\qquad c_n={3n^2-2n+1\over 2n^2-5}\,{\small ,}
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(12) |
wobei wir mit n=0 oder mit n=1 zu zählen beginnen können. (Es darf natürlich nicht
vorkommen, dass im Zuge der Berechnung eines Folgengliedes durch 0 dividiert wird, aber wenn wir die hier auftretenen Nenner betrachten,
so sehen wir, dass von dieser Seite keine Gefahr droht). Schreiben Sie zur Übung die jeweils drei ersten Glieder dieser Folgen auf,
beginnend mit n=0!
Eine einfache und sehr wichtige rationale Fogle ist durch
a_n={1\over n}\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}
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(13) |
definiert. Hier müssen wir n=0 ausschließen, um nicht durch 0 zu dividieren, daher schreiben wir n\in\mathbb{N} und nicht n\in\mathbb{N}_0.
Klarerweise werden die Glieder dieser Folge mit wachsendem n immer kleiner. Ihr Punktgraph im Bereich 1\leq n\leq 10 sieht so aus:
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exponentielle Prozesse
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Wenn er Sie an eine Hyperbel erinnert, dann haben Sie ganz recht: Alle gezeigten Punkte liegen auf dem Graphen der durch f(x)={1\over x}
definierten Funktion.
Rationale Folgen eignen sich gut dazu, Grenzprozesse zu verstehen. Apropos Grenzprozesse -
nach diesem Exkurs über Folgen und ihre Darstellung kehren wir zum eigentlichen Thema des Kapitels
zurück.
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Potenzfunktionen
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Konvergenz und Grenzwert einer Folge
Haben wir eine gegebene reelle Zahlenfolge vor uns - etwa irgend eine der Folgen, die wir bisher betrachtet haben -,
so stellen wir uns nun vor, dass ihre Glieder a_n der Reihe nach aufgezählt werden, ohne Ende,
d.h. dass n alle natürlichen Zahlen durchläuft (wobei es keine Rolle spielt, ob wir mit n=0 oder n=1
zu zählen beginnen). Rein gefühlsmässig gibt es viele Möglichkeiten, wie sich die
Folgenglieder bei einem solchen "Prozess" verhalten werden: In manchen Fällen werden sie immer größer und übersteigen
schließlich jede vorgegebene Zahl, in anderen Fällen springen sie hin- und her, und viele weiters Formen des Verhaltens können auftreten.
Was uns an dieser Stelle besonders interessiert, sind Folgen, die sich einer Zahl "immer genauer annähern".
Mit (1) bzw. (4a) haben wir eine solche Folge bereits betrachtet: Durchläuft n alle
natürlichen zahlen, so wird der Quotient n\over n+1 immer größer und kommt der Zahl 1 beliebig nahe, ohne sie aber je
zu erreichen. In (2) haben wir auch schon die Schreib- und Sprechweise für einen solchen Sachverhalt angegeben.
Wir wollen uns nun ganz allgemein überlegen, für welche Folgen eine derartige Situation der "Annäherung an eine Zahl"
auftritt, die wir, um ihr einen Namen zu geben, mit \alpha bezeichnen. Dabei wollen wir nicht unbedingt verlangen, dass die
Folgenglieder immer größer werden und immer kleiner als \alpha sind. Wir erlauben auch, dass sie immer kleiner
werden, sie dürfen sogar mal größer und mal kleiner werden, aber sie sollen \alpha "immer näher kommen".
Und - das ist entscheidend - sie sollen sich von \alpha nicht allzusehr wieder entfernen. Das sind nun reichlich schwammige
Formulierungen. Wie können wir sie in eine sinnvolle und mathematisch präzise Form bringen, die von jeder Folge
eindeutig festlegt, ob sie unsere Idee der "beliebigen Annäherung" erfüllt oder nicht?
Wir wollen dabei nicht unbedingt verlangen, dass jedes Folgenglied näher bei \alpha liegt als das vorherige, aber zwei
Wünsche haben wir doch:
- Der Abstand von a_n zu \alpha soll beliebig klein werden können, wenn n nur genügend groß ist.
Der Abstand zweier Zahlen (genauer: ihr Abstand auf der Zahlengeraden) ist der Betrag ihrer Differenz. Beispielweise ist der
Abstand zwischen der Zahl 3 und der Zahl 2.9 gleich |3-2.9|, und das ist das Gleiche wie |2.9-3|, nämlich 0.1.
Ein Maß dafür, wie nahe a_n bereits an \alpha herangekommen ist, ist daher durch |a_n-\alpha| gegeben.
Wir wollen also, dass |a_n-\alpha| beliebig klein werden kann, wenn n genügend groß ist.
- Wir wollen zwar nicht verlangen, dass der Abstand der Folgenglieder zu \alpha von Schritt zu Schritt immer kleiner wird,
denn es könnte ja sein, dass die a_n der Zahl \alpha zunächst sehr nahe kommen, sich mit wachsendem n wieder entfernen,
aber schließlich doch auf \alpha zustreben.
Eigentlich soll es egal sein, was die ersten - sagen wir - hunderttausend Folgenglieder machen, denn die Annäherung an \alpha
kann ja immerhin noch später erfolgen.
Aber an einer Bedingung wollen wir festhalten: Ab irgendeinem Schritt soll ein einmal erreichter Abstand |a_n-\alpha| nicht mehr
überschritten werden.
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Zahlengerade
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Dass der Abstand |a_n-\alpha| beliebig klein werden und ab irgendeinem Schritt nicht mehr überschritten werden soll, bedeutet,
dass es für jede beliebige (beliebig kleine!) positive Zahl \epsilon einen Schritt in unserem Prozess gibt, ab dem der Abstand
|a_n-\alpha| kleiner ist (und bleibt) als \epsilon. Ist ein (beliebig kleines) Annäherungsmaß \epsilon vorgegeben,
so soll ab einem bestimmten Schritt |a_n-\alpha|<\epsilon gelten. "Ab einem bestimmten Schritt" bedeutet: Es soll eine
natürliche Zahl m geben, so dass
|a_m-\alpha|<\epsilon,
|a_{m+1}-\alpha|<\epsilon,
|a_{m+2}-\alpha|<\epsilon,
usw. ..... auch für alle nachfolgenden Glieder der Folge!
Mit einem Wort: Es woll eine natürliche Zahl m geben, so dass
|a_n-\alpha|<\epsilon für alle n\geq m.
Nun sind wir bereit, die "offizielle" Definition der Konvergenz und des Grenzwerts einer Folge anzuschreiben:
Definition:
Sei \langle a_n\rangle eine reelle Zahlenfolge und \alpha eine reelle Zahl.
\alpha heißt Grenzwert (Limes) der Folge \langle a_n\rangle, wenn es für jedes \epsilon>0
ein m\in\mathbb{N} gibt mit der Eigenschaft
|a_n-\alpha|<\epsilon für alle n\geq m.
Wir sagen dann, dass die Folge konvergiert bzw. "gegen \alpha konvergiert" oder
"gegen \alpha strebt" und schreiben dafür
\lim_{n\to\infty}a_n = \alpha |
oder |
a_n |
\longrightarrow |
\small n\to\infty |
|
\alpha |
oder kurz |
a_n\to \alpha |
. |
Eine Folge, die einen Grenzwert besitzt, heißt konvergent.
Eine Folge, die keinen Grenzwert besitzt, heißt divergent.
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(14) |
Bemerkung: Ist ein \epsilon>0 einmal gewählt, so können wir die umständliche Formulierung
"es gibt ein m\in\mathbb{N} mit der Eigenschaft |a_n-\alpha|<\epsilon für alle n\geq m"
kürzer in der Form
"für genügend große n gilt |a_n-\alpha|<\epsilon"
ausdrücken. Der springende Punkt ist, dass das für jedes \epsilon>0 gelten muss. Je kleiner \epsilon ist, umso
weiter muss man in der Regel in einer Folge gehen, bis |a_n-\alpha|<\epsilon nicht nur für ein einzelnes n, sondern
auch für alle nachfolgenden n gilt.
Die Geschichte mit dem m dient nur dazu, das in klarer und eindeutiger Weise auszudrücken:
Für alle n, die größer-gleich m sind
(also für n=m, n=m+1, n=m+2,...), muss |a_n-\alpha|<\epsilon gelten. Die folgende Grafik verdeutlicht das:
Gezeigt sind die ersten Glieder einer Folge, deren Grenzwert 2 ist. Es ist \epsilon=0.1 gewählt. Die Bedingung
|a_n-2|<0.1 ist für all jene n erfüllt, für die a_n größer als 1.9 und kleiner als 2.1 ist.
Das sind jenau jene Folgenglieder, für die die ihnen entsprechenden Punkte innerhalb des eingefärbten Streifens
(der die Werte zwischen 1.9 und 2.1 markiert) liegen. Von den gezeigten Punkten liegen jene für
n=4, n=5, n=8, n=9 und n=10 innerhalb des Streifens. Nun wollen wir annehmen, dass auch alle Punkte rechts von den
gezeigten (also für n>10) innerhalb des Streifens liegen. Dann können wir sagen: Ab n=8 liegen sie alle
innerhalb des Streifens. Dass auch zwei frühere Punkte darin liegen (nämlich die für n=5 und n=6), spielt dabei keine Rolle!
Wählen wir also m=8 (oder m= irgendeine noch größere natürliche Zahl), so gilt:
|a_n-2|<0.1 für alle n\geq m.
Wenn sich für jedes \epsilon>0, und sei es noch so klein, ein solches m finden läßt,
dann ist 2 Grenzwert der Folge. Wie aus der Grafik ersichtlich ist, müssen die Folgenglieder dafür nicht "immer größer"
oder "immer kleiner " werden. Wichtig ist lediglich, dass die Punkte für jeden solchen vorgegebenen Streifen
um die Zahl 2, und sei er noch so schmal, irgendwann innerhalb des Streifens zu liegen kommen und ihn bei fortgesetzter Zählung nie mehr verlassen.
Wenden wir die Definition (14) des Grenzwerts auf die Folge (13), also a_n={1\over n}, an: Da ihre Glieder stets positiv sind,
aber immer kleiner werden, vermuten wir, dass sie gegen 0 konvergiert. Nehmen wir also an, eine reelle Zahl \epsilon>0 sei gegeben.
Außer dass sie positiv ist, soll es für sie keinerlei Einschränkung gelten. Insbesondere soll sie
so klein sein dürfen, wie wir wollen. Um zu zeigen, dass {1\over n} gegen 0 konvergiert, müssen wir
gemäß Definition (14)
ein n angeben, ab dem die Distanz zwischen {1\over n} und 0 kleiner als \epsilon ist. Da diese Distanz aber
einfach |{1\over n} - 0|={1\over n} ist, müssen wir nur ein n angeben, ab dem {1\over n}<\epsilon ist.
Diese Ungleichung ist gleichbedeutend mit n>{1\over\large \epsilon}. Das bedeutet: Für jedes n, das größer als
{1\over\large \epsilon} ist, gilt {1\over n}<\epsilon. Das sind die "genügend großen n" der obigen Definition.
Wählen wir also irgendeine natürliche Zahl m, die größer als {1\over\large \epsilon} ist,
so erfüllt jede nachfolgende natürliche Zahl n die Ungleichung {1\over n}<\epsilon.
Durch die mathematische Sprache ausgedrückt: {1\over n}<\epsilon für alle n\geq m. Damit ist bewiesen:
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Ungleichungen
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\lim_{n\to\infty}\,\,{1\over n}=0
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. |
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(15) |
Wir nehmen dieses Ergebnis zum Anlass, um zu definieren: Eine Folge, deren Grenzwert 0 ist, heißt Nullfolge.
Glücklicherweise brauchen wir die soeben gezeigte Akrobatik nicht jedes Mal durchführen, um einen Grenzwert zu berechnen,
denn einige Rechenregeln für Grenzwerte kommen uns zu Hilfe. Zunächst gilt
Satz: Eine Folge besitzt höchstens einen Grenzwert.
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(16) |
Beweis: Intuitiv ist der Satz klar: Wenn die Glieder einer Folge einer Zahl \alpha immer näher kommen, so kann das nicht gleichzeitig auch für eine
andere Zahl gelten. Der formale Beweis ist nicht schwierig: Nehmen wir an, eine Folge \langle a_n\rangle besitze zwei verschiedene
Grenzwerte \alpha und \beta. Dann wählen wir \epsilon gleich der Hälfte des Abstands |\alpha-\beta|, also
\epsilon={1\over 2}|\alpha-\beta|. Laut Voraussetzung gilt:
- Wegen a_n\to\alpha ist der Abstand von a_n zu \alpha für genügend große n kleiner als \epsilon.
- Wegen a_n\to\beta ist der Abstand von a_n zu \beta für genügend große n kleiner als \epsilon.
Für alle n, die so groß sind, dass sie beide Bedingungen erfüllen, ist der Abstand von a_n zu \alpha
und jener von a_n zu \beta kleiner als \epsilon und daher kleiner als die Hälfte des Abstands |\alpha-\beta|.
Das kann aber keine Zahl erfüllen! (Ist beispielsweise entlang einer geraden Straße der Ort A genau 10 km vom Ort B
entfernt, so kann ein Fahrzeug nicht gleichzeitig von A und B weniger weit entfernt sein als 5 km).
Damit ist der Satz bewiesen: Eine Folge kann keine zwei verschiedenen Grenzwerte besitzen!
Folgerung: Eine konvergente Folge besitzt genau einen Grenzwert, eine divergente Folge besitzt gar keinen.
Weitere Rechenregeln (die wir nicht beweisen, sondern nur angeben) betreffen die Berechnung des Grenzwerts von Folgen,
die durch die Grundrechnungsarten aus konvergenten Folgen
zusammengesetzt werden:
Rechenregeln: Seien \langle a_n\rangle und \langle b_n\rangle konvergente
Folgen mit Grenzwerten \alpha und \beta, und sei c eine reelle Zahl. Dann gilt:
Grenzwert einer konstanten Folge:
Grenzwert eines Vielfachen:
\lim_{n\to\infty}\left(c\,a_n\right) = c\,\alpha
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(17b) |
Grenzwert einer Summe:
\lim_{n\to\infty}\left(a_n+b_n\right) = \alpha+\beta
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(17c) |
Grenzwert eines Produkts:
\lim_{n\to\infty}\left(a_n\,b_n\right) = \alpha\,\beta
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(17d) |
Grenzwert eines Quotienten
(sofern b_n\neq 0 für alle n und \beta\neq 0):
\lim_{n\to\infty}\left(a_n\over b_n\right) = {\alpha\over\beta}
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(17e) |
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In Worten: Der Grenzwert einer konstanten Folge ist gleich der Konstanten.
Der Grenzwert des Vielfachen einer Folge ist das Vielfache des Grenzwerts.
Der Grenzwert einer Summe ist die Summe der Grenzwerte. (Diese beiden Regeln drücken die Linearität des Grenzwertbildens
aus). Der Grenzwert eines Produkt ist das Produkt der Grenzwerte.
Der Grenzwert eines Quotienten ist der Quotient der Grenzwerte (sofern keine Division durch 0 auftritt).
Damit können zahlreiche Grenzwerte sehr leicht berechnet werden, beispielsweise:
\lim_{n\to\infty}\,{1\over n^2}=\lim_{n\to\infty}{1\over n}\,\,\,\,\lim_{n\to\infty}{1\over n}=0\cdot 0=0
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, |
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(18) |
wobei wir nur {1\over n^2}={1\over n}\,{1\over n} und (15) sowie die Rechenregel (17d) benutzen
mussten.
Ein anderes Beispiel ist
\lim_{n\to\infty}\left(2+{3\over n}\right)= 2 + 3\,\,\lim_{n\to\infty}{1\over n}=2+3\cdot 0=2
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, |
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(19) |
wobei wir (15) und die Rechenregeln (17a) bis (17c) benutzt haben.
Auf weitere Beispiele werden wir weiter unten eingehen.
Als Nachtrag zum allgemeinen Grenzwertbegriff machen wir noch drei Bemerkungen:
- Der Grenzwert einer Folge hängt nicht davon ab, wie sich ihre Glieder bis zu einem bestimmten, endlichen n verhalten.
Werden die ersten hunderttausend Glieder einer Folge weggenommen (oder in beliebiger Weise geändert), so verändert
das ihren Grenzwert nicht. Es ist also auch gleichgültig, ob wir bei 0 oder 1 zu zählen beginnen,
d.h. ob a_0 oder a_1 das erste Folgenglied ist.
- Es gibt eine praktische Ausdrucksweise, um die Definition des Grenzwerts einfacher ausdrücken zu können:
Unter "fast alle" wollen wir "bis auf endlich viele" vestehen. Damit lautet die Definition des Grenzwerts:
\alpha ist Grenzwert der Folge \langle a_n\rangle, wenn für jedes \epsilon>0 gilt:
|a_n-\alpha|<\epsilon für fast alle n.
Denn wenn die Aussage |a_n-\alpha|<\epsilon nur für endliche viele natürliche Zahlen n nicht gilt, so gibt es unter
diesen endlich vielen Zahlen eine größte. Definieren wir m als deren Nachfolger (oder eine beliebige noch größere
natürliche Zahl), so folgt: Für alle n\geq m gilt
|a_n-\alpha|<\epsilon, was unserer ursprünglichen Formulierung in (14) entspricht.
- Überdenken Sie noch einmal, wie wir die Idee "des Unendlichen" hier in den Griff bekommen haben!
Was "das Unendliche" sein soll, wurde an keiner Stelle vorausgesetzt.
Alle mathematischen Ausdrucksweisen, in denen das Wort "unendlich" oder das Symbol \infty vorkommen,
wurden mit Hilfe anderer Begriffe festgelegt: Eine unendliche Folge ist eine "Liste, die nie endet".
\alpha ist Grenzwert einer Folge, "wenn es für jedes ... gibt mit der Eigenschaft ... für alle ...".
Das gilt auch für den Ausdruck "beliebig klein":
- Ein einzelnes, einmal fix gewähltes \epsilon kann natürlich nicht "beliebig klein" (etwa im Sinn von "unendlich klein") sein,
- aber wenn wir sagen, es werde "ein beliebiges \epsilon>0 gewählt", so bedeutet das: Wir können ein \epsilon
wählen, das positiv sein muss, aber ansonsten so klein sein kann, wie wir wollen.
Erkennen Sie den Unterschied? Insgesamt haben wird durch diese Umschreibungen
erreicht, nicht annehmen zu müssen, dass irgend etwas "unendlich groß"
oder "unendlich klein" oder "beliebig nahe" ist.
Statt dessen haben wir einen gedanklichen Prozess betrachtet, in dem
gewisse Größen "beliebig groß" (n), "beliebig klein" (im Fall einer konvergenten Folge |a_n-\alpha|) oder
"beliebig nahe" (a_n dem Grenzwert \alpha) werden.
Im Rest dieses Abschnitts werden wir weitere Eigenschaften, die Folgen haben können, und ihre Beziehung zur Konvergenz besprechen,
ein paar neue Begriffe einführen, Methoden zum Beweis der Konvergenz und zur Berechnung von Grenzwerten kennen lernen und anwenden,
und zuletzt werden wir eine alternative Darstellung von Folgen behandeln.
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lineare Operation
(in Vorbereitung)
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Monotonie und Beschränktheit von Folgen
Reelle Zahlenfolgen können verschiedene Monotonieeigenschaften aufweisen:
Definitionen: Wir nennen eine reelle Zahlenfolge \langle a_n\rangle
- monoton wachsend (oder monoton steigend), wenn a_{n+1}\geq a_n für alle n, d.h. wenn jedes Folgenglied (außer dem ersten) größer-gleich dem vorherigen ist.
- streng monoton wachsend (oder streng monoton steigend), wenn a_{n+1} > a_n für alle n, d.h. wenn jedes Folgenglied (außer dem ersten) größer als das vorherige ist.
- monoton fallend (oder monoton abnehmend), wenn a_{n+1}\leq a_n für alle n, d.h. wenn jedes Folgenglied (außer dem ersten) kleiner-gleich dem vorherigen ist.
- streng monoton fallend (oder streng monoton abnehmend), wenn a_{n+1} < a_n für alle n, d.h. wenn jedes Folgenglied (außer dem ersten) kleiner als das vorherige ist.
Die Glieder einer streng monoton wachsenden (fallenden) Folge werden daher immer größer (kleiner).
Jede streng monoton wachsende (fallende) Folge ist automatisch eine monoton wachsende (fallende) Folge.
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(20) |
Die Monotonie einer Folge ist an ihrem Punktgraphen (im jeweils dargestellten Bereich) leicht erkennbar
(und steht natürlich in enger Verwandtschaft mit den gleichnamigen Begriffen für reelle Funktionen).
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Monotonie reeller Funktionen
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Hier einige Beispiele:
- Die durch (13) definierte Folge, a_n={1\over n} für n\in\mathbb{N}, ist streng monoton fallend.
Beweis: Die Aussage a_{n+1} < a_n ist gleichbedeutend mit {1\over n +1} < {1\over n}. Letzteres gilt für alle (natürlichen) Zahlen.
- Die durch (4a) definierte Folge, a_n ={n\over n+1} für n\in\mathbb{N}, ist streng monoton wachsend.
Beweis: Die Aussage a_{n+1} > a_n ist gleichbedeutend mit {n+1\over n+2} > {n\over n+1}. Um zu zeigen, dass diese Aussage für alle
natürlichen Zahlen erfüllt ist, argumentieren wir zuerst "rückwärts", indem wir Äquivalenzumformungen für
Ungleichungen anwenden:
{n+1\over n+2} > {n\over n+1} | | | mal (n+1)(n+2) ... ist erlaubt, da (n+1)(n+2)>0 für alle n\in\mathbb{N} |
(n+1)^2 > n(n+2) | | | Klammern ausmultiplizieren |
n^2+2n+1 > n^2+2n | | | -n^2-2n |
1 > 0 | | wahre Aussage |
Da wir nur Äquivalenzumformungen für Ungleichungen angewandt haben, können wir in den Umformungsschritten zurück gehen
und von der wahren Aussage 1 > 0 auf {n+1\over n+2} > {n\over n+1} für alle n\in\mathbb{N} schließen, womit alles gezeigt ist.
- Jede konstante Folge ist sowohl ist monoton wachsend als auch monoton fallend (nicht aber streng monoton wachsend oder streng monoton fallend).
- Jede arithmetische Folge (8) mit k>0 ist streng monoton wachsend.
- Jede arithmetische Folge (8) mit k < 0 ist streng monoton fallend.
- Jede geometrische Folge (11) mit a_0>0 und q>1 ist streng monoton wachsend (Bakterienwachstum).
- Jede geometrische Folge (11) mit a_0>0 und 0 < q < 1 ist streng monoton fallend (radioaktiver Zerfall).
- Ein alternierende Folge (z.B. eine geometrische Folge mit a_0\neq 0 und q<0) ist nichts von alledem.
Aufgabe: Wählen Sie je ein konkretes Beispiel für die Folgen vom Typ 4 – 8, schreiben Sie die jeweils ersten zehn Glieder auf
und überzeugen Sie sich, dass die angegebenen Monotonieeigenschaften für diese ersten zehn Glieder gelten!
Der zweite hier zu besprechende Begriff ist die Beschränktheit:
Definitionen: Ist \langle a_n\rangle eine reelle Zahlenfolge und K eine reelle Zahl,
so nennen wir K
- eine untere Schranke der Folge, wenn a_n \geq K für alle n, und
- eine obere Schranke der Folge, wenn a_n \leq K für alle n.
Eine Folge, die eine untere Schranke besitzt, heißt nach unten beschränkt.
Eine Folge, die eine obere Schranke besitzt, heißt nach oben beschränkt.
Eine Folge, die keine untere Schranke besitzt, heißt nach unten unbeschränkt.
Eine Folge, die keine obere Schranke besitzt, heißt nach oben unbeschränkt.
Eine Folge, die nach unten und nach oben beschränkt ist, heißt beschränkt.
Eine Folge, die nicht beschränkt ist, heißt unbeschränkt.
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(21) |
Hier einige Beispiele:
- Die durch (13) definierte Folge, a_n={1\over n} für n\in\mathbb{N}, ist beschränkt.
Eine untere Schranke ist 0. Formaler Beweis: Die Aussage {1\over n}\geq 0 gilt für alle n\in\mathbb{N}.
Eine obere Schranke ist 1. Formaler Beweis: Die Aussage {1\over n} \leq 1 ist gleichbedeutend mit 1 \leq n, was für alle n\in\mathbb{N} gilt.
- Die durch (4a) definierte Folge, a_n ={n\over n+1} für n\in\mathbb{N}, ist beschränkt.
Eine untere Schranke ist 0. Formaler Beweis: Die Aussage {n\over n+1} \geq 0 gilt für alle n\in\mathbb{N}.
Eine größere (und daher "bessere") untere Schranke ist 1\over 2, d.h. das erste Folgenglied. Formaler Beweis: Die Aussage {n\over n+1} \geq {1\over 2}
ist gleichbedeutend mit 2n \geq n+1 und daher n \geq 1, was für alle n\in\mathbb{N} gilt. Alternativerweise könnte man argumentieren,
dass die Folge (wie oben gezeigt) streng monoton wachsend ist, das erste Glied also das kleinste und daher eine untere Schranke ist.
Eine obere Schranke ist 1. Formaler Beweis: Die Aussage {n\over n+1} \leq 1 ist gleichbedeutend mit n\leq n+1, was für alle
(natürlichen) Zahlen gilt.
- Jede konstante Folge \langle c\rangle ist (klarerweise) beschränkt. Jedes K\leq c ist untere Schranke,
jedes K\geq c ist obere Schranke.
- Jede arithmetische Folge (8) mit k>0 ist nach unten beschränkt. Eine untere Schranke ist a_0.
- Jede arithmetische Folge (8) mit k < 0 ist nach oben beschränkt. Eine obere Schranke ist a_0.
- Jede geometrische Folge (11) mit a_0>0 und q>1 ist nach unten beschränkt (Bakterienwachstum).
Eine untere Schranke ist a_0.
- Jede geometrische Folge (11) mit a_0>0 und 0 < q < 1 ist beschränkt (radioaktiver Zerfall).
Eine untere Schranke ist 0. Eine obere Schranke ist a_0.
- Jede geometrische Folge (11) mit -1 < q < 0 ist beschränkt. Sie ist
alternierend, und die Beträge der Folgenglieder werden immer kleiner.
- Jede geometrische Folge (11) mit a_0\neq 0 und q < -1 ist weder nach unten noch nach oben beschränkt. Sie ist
alternierend, und die Beträge der Folgenglieder werden immer größer.
Aufgabe: Wählen Sie je ein konkretes Beispiel für die Folgen vom Typ 4 – 8, schreiben Sie die jeweils ersten zehn Glieder auf
und überzeugen Sie sich, dass die angegebenen Schranken tatsächlich zutreffen!
Wählen Sie ein konkretes Beispiel für eine Folge vom Typ 9 und überzeugen Sie sich, dass sie weder eine untere noch eine
obere Schranke besitzt!
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Äquivalenz- umformungen für Ungleichungen
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Beachten Sie, dass nicht jede Schranke einer Folge gleich einem Folgenglied sein muss!
So ist beispielsweise -5 eine untere und 5 eine obere Schranke der durch (4a) definierten Folge,
a_n ={n\over n+1} für n\in\mathbb{N}, aber weder -5 noch 5 sind Folgenglieder. Eine nach oben (bzw. unten) beschränkte
Folge besitzt daher viele obere (bzw. untere) Schranken. Je größer eine untere und je kleiner eine obere Schranke ist,
umso enger ist das Verhalten der Folge eingegrenzt.
Tatsächlich gibt es, entsprechende Beschränktheit vorausgesetzt, eine beste (d.h. kleinste) obere Schranke bzw.
eine beste (d.h. größte) untere Schranke:
- Die Menge aller oberen Schranken einer nach oben beschränkten Folge ist ein Intervall der Form [K,\infty),
mit einem kleinsten Element K, der kleinsten oberen Schranke.
Für den Beweis siehe den nebenstehenden Button. Hier ein Beispiel:
Die kleinste obere Schranke der durch (4a) definierten Folge, a_n ={n\over n+1} für n\in\mathbb{N},
ist 1, denn es gilt:
- 1 ist obere Schranke (wie oben gezeigt).
- Jede Zahl < 1 ist keine obere Schranke (da {n\over n+1} zwar stets < 1 ist, aber für genügend große n
"von unten" beliebig nahe an 1 herankommt).
Die größte untere Schranke dieser Folge ist 1\over 2, das erste Folgenglied.
- Die Menge aller unteren Schranken einer nach unten beschränkten Folge ist ein Intervall der Form (-\infty,K],
mit einem größten Element K, der größten unteren Schranke.
Für den Beweis siehe ebenfalls den nebenstehenden Button. Hier ein Beispiel:
Die größte untere Schranke der durch (13) definierten Folge, a_n={1\over n} für n\in\mathbb{N},
ist 0, denn es gilt:
- 0 ist untere Schranke (wie oben gezeigt).
- Jede positive Zahl ist keine untere Schranke (da 1\over n stets positiv ist und gegen 0 konvergiert,
also für genügend große n "von oben" beliebig nahe an 0 herankommt).
Die kleinste obere Schranke dieser Folge ist 1, das erste Folgenglied.
Wenn Monotonie und Beschränktheit in geeigneter Weise zusammenkommen, so erzwingen sie die Konvergenz einer Folge.
Diese Tatsache ist eines der wichtigsten Konvergenzkriterien für reelle Zahlenfolgen:
Satz (monotone Konvergenz):
- Jede monoton wachsende und nach oben beschränkte reelle Zahlenfolge ist konvergent.
Der Grenzwert ist gleich der kleinsten oberen Schranke.
- Jede monoton fallende und nach unten beschränkte reelle Zahlenfolge ist konvergent.
Der Grenzwert ist gleich der größten unteren Schranke.
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(22) |
Beweis:
Sei \langle a_n\rangle eine monoton wachsende und nach oben beschränkte reelle Zahlenfolge, und
sei K die kleinste obere Schranke. Weiters sei \epsilon>0 beliebig gewählt.
Da K die kleinste obere Schranke ist, ist K-\epsilon (als Zahl, die kleiner als K ist) keine
obere Schranke. Daher gibt es ein Folgenglied a_m, das größer als K-\epsilon ist. Da K obere
Schranke ist, gilt a_m\leq K, d.h. insgesamt gilt
K-\epsilon < a_m \leq K.
Da die Folge monoton wachsend ist, sind alle nachfolgenden Glieder zwar \geq a_m, aber stets \leq K
(da ja K eine obere Schranke ist). Das können wir in der Form
K-\epsilon < a_m \leq a_{m+1} \leq a_{m+2} \leq a_{m+3} \leq \dots \leq K
anschreiben. Es bedeutet, dass der Abstand |a_n -K| für alle Folgenglieder a_n mit n\geq m kleiner als \epsilon ist.
Da dieses Argument für jedes \epsilon>0 funktioniert, ist K Grenzwert der Folge.
Der zweite Fall einer monoton fallenden und nach unten beschränkten Folge kann völlig analog behandelt werden.
Nachbemerkung: Wir können uns ein intuitives Bild dieses Sachverhalts machen:
Die Glieder einer monoton wachsenden Folge können bei fortschreitender Zählung nicht kleiner werden. Wenn eine solche Folge
nach oben beschränkt ist, sind die Folgenglieder gewissermaßen zwischen dem ersten Folgenglied
und jeder oberen Schranke "eingesperrt". Da sie nicht kleiner werden können, müssen sie für genügend große n
der kleinsten oberen Schranke beliebig nahe kommen, ohne Möglichkeit, sich von dieser wieder zu entfernen. Daher konvergiert
die Folge gegen die kleinste obere Schranke.
Eine schöne Anwendung dieses Satzes ergibt sich für die durch (4a) definierte Folge, a_n ={n\over n+1} für n\in\mathbb{N}.
Wir haben bereits gezeigt, dass sie monoton wachsend und nach oben beschränkt ist, mit kleinster oberer Schranke 1.
Daher gilt
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{n\over n+1}=1
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. |
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(23) |
Erinnern Sie sich an diese Formel? Wir sind ihr in (2) bereits begegnet.
Dort hat sie dazu gedient, unsere ersten intuitiven Überlegungen, dass der Quotient n\over n+1 für
wachsendes n der Zahl 1 beliebig nahe kommt, in kompakter Weise anzuschreiben. Mittlerweile haben wir dieser Schreibweise
eine präzise Bedeutung gegeben und mit (23) ein wasserdichtes Resultat erzielt.
Weiter unten werden wir eine andere Methode besprechen, diesen und ähnliche Grenzwerte zu
berechnen.
Um zu entscheiden, ob eine gegebene reelle Zahlenfolge konvergent ist und - falls ja - ihren Grenzwert zu berechnen, stehen
also verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Eine besteht darin, direkt auf die Definition (14) des Grenzwerts
zurückzugreifen.
Damit ergeben sich fast von selbst weitere Konvergenzkriterien wie beispielsweise dieses:
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Intervalle
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Satz: Ist \langle a_n\rangle eine eine monoton wachsende, nach oben unbeschränkte reelle Zahlenfolge, so gilt
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{1\over a_n} = 0\,\,{\sf \small ,}
und das Gleiche gilt für eine monoton fallende, nach unten unbeschränkte reelle Zahlenfolge.
(Dabei müssen wir gegebenenfalls endlich viele Folgenglieder, für die a_n=0 ist, ignorieren).
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(24) |
Eine andere Methode ist das Konvergenzkriterium (22).
Häufig kommt man damit aus, bereits bekannte Grenzwerte - wie (15) -
zusammen mit den Rechenregeln (17a) – (17e) auszunutzen, um
neue Grenzwerte zu berechnen, und eine
weitere Methode werden wir weiter unten kennen lernen.
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Weitere Begriffe aus der Theorie der Folgen
Im Zusammenhang mit Folgen gibt es viele Begriffe und Ergebnisse, die über den Schulstoff hinaus gehen.
Mit dem nebenstehenden Button können Sie einige kurze Anmerkungen zu den Begriffen
- Häufungspunkt (Häufungswert)
- Satz von Bolzano-Weierstraß
- Limes superior (lim sup) und Limes inferior
(lim inf)
- Folgen mit beliebigen mathematischen Objekten
- Cauchy-Folge
- Vollständigkeit der reellen Zahlen
aufrufen, für den Fall, dass Sie den einen oder anderen einmal hören.
Nach diesem kleinen Ausflug (den Sie bei Bedarf überspringen können) wenden wir uns wieder praktischeren Dingen zu.
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Konvergenz und Grenzwerte rationaler Folgen
Oft sind Grenzwerte rationaler Folgen zu berechnen. Wie bereits erwähnt (siehe oben), ist eine rationale Folge durch
den Quotienten zweier Polynome in n gegeben. Beispiele ratonaler Folgen sind (4a), (4b)
und (12). Allgemein ist eine rationale Folge durch ein Bildungsgesetz der Form
gegeben, wobei f und g Polynome sind und nicht durch 0 dividiert wird. (Die letzten Einschränkung können
wir in der Praxis abschwächen: Da g(n)=0 nur für endlich viele (natürliche) Zahlen n gelten kann,
lassen wir die Folge erst ab einer genügend großen Zahl beginnen). Folgen dieser Art sind leicht zu analysieren:
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- Ist der Grad von f kleiner als der Grad von g, so ist die
Folge \langle a_n\rangle konvergent. Der
Grenzwert kann unter Ausnutzung eines kleinen Tricks und der Rechenregeln (17a) – (17e)
berechnet werden. Wir führen das für die zweite Folge in (12), b_n={n-1\over 3n^2+2}, vor.
Der Trick besteht darin, den Bruch durch die höchste auftretende Potenz von n, hier also n^2, zu kürzen,
d.h. Zähler und Nenner durch n^2 zu
dividieren:
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{n-1\over 3n^2+2}=\lim_{n\to\infty}\,\,\,{{1\over n}-{1\over n^2}\over 3+{2\over n^2}}=
{\lim{1\over n}-\lim{1\over n^2}\over \lim 3+\lim{2\over n^2}}=
{0-0^2\over 3 + 2\cdot 0^2}=0
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, |
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(26) |
wobei wir nach dem zweiten Gleichheitszeichen den Zusatz n\to\infty der Übersichtlichkeit halber weggelassen haben.
Dieses Ergebnis gilt ganz allgemein: Ist der Grad des Zählers kleiner als der Grad des Nenners, so wird der Quotient
für genügend große n beliebig klein. (Das sollte Ihnen auch intuitiv klar sein: Das Polynom mit dem
größeren Grad wächst mit n wesentlich schneller als jenes mit dem kleineren Grad).
Jede derartige Folge ist eine Nullfolge.
- Ist der Grad von f gleich dem Grad von g, so ist die Folge \langle a_n\rangle ebenfalls konvergent. Der
Grenzwert kann unter Ausnutzung des gleichen Tricks und der Rechenregeln (17a) – (17e)
berechnet werden. Wir führen das für die dritte Folge in (12), c_n={3n^2-2n+1\over 2n^2-5}, vor.
Wieder besteht der Trick darin, den Bruch durch die höchste auftretende Potenz von n, hier also n^2, zu kürzen,
d.h. Zähler und Nenner durch n^2 zu dividieren:
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{3n^2-2n+1\over 2n^2-5}=\lim_{n\to\infty}\,\,\,{3-{2\over n}+{1\over n^2}\over 2-{5\over n^2}}=
{\lim 3-\lim{2\over n}+\lim{1\over n^2}\over \lim 2-\lim{5\over n^2}}=
{3-2\cdot 0+0^2\over 2 - 5\cdot 0^2}={3\over 2}
|
. |
|
(27) |
Dieses Ergebnis gilt ganz allgemein: Der Grenzwert ist gleich dem Quotienten der "führenden" Koeffizienten, also der
Koeffizienten der Terme mit den größten Exponenten. In unserem Beispiel sind das 3 für den Zähler
und 2 für den Nenner.
(Das sollte Ihnen auch intuitiv klar sein: Wird n beliebig groß, so fallen die Terme mit den
kleineren Exponenten immer weniger ins Gewicht. Setzen Sie beispielsweise in {3n^2-2n+1\over 2n^2-5}
für n den Wert 1 Million ein! Das Ergebnis unterscheidet sich dann kaum von {3n^2\over 2n^2}, also 3\over 2).
- Ist der Grad von f größer als der Grad von g, so ist die Folge \langle a_n\rangle divergent -
sie besitzt keinen Grenzwert. Ein Beispiel ist die erste Folge in (12), a_n={3n^2-2\over n+1}.
Formen wir um:
{3n^2-2\over n+1}=n\,\,\underbrace{3n-{2\over n}\over n+1}_{\Large \to\,\,3}\,\,{\sf \small .}
Der zweite Faktor konvergiert gemäß der zuvor besprochenen Methode gegen 3, d.h. für große n nähert sich
{3n-{2\over n}\over n+1} der Zahl 3 beliebig nahe an.
Die Folgenglieder a_n verhalten sich daher für große n ungefähr wie 3n, überschreiten also jede Schranke.
Daher ist die Folge \langle a_n\rangle divergent.
Die Beurteilung, ob eine rationale Folge konvergiert und - falls ja - die Berechnung ihres Grenzwerts
ist also ganz einfach und kann sogar im Kopf durchgeführt werden!
| | | |
Grad eines Polynoms
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Grenzwerte und stetige Funktionen
Die Stetigkeit von Funktionen ist ein Thema, das in einem anderen Kapitel genauer behandelt wird,
und auf den wir weiter unten kurz eingehen werden,
aber für die Berechnung der Grenzwerte von Folgen ist es nützlich, bereits an dieser Stelle einige Anleihen
aus diesem Themenbereich zu machen. Unter einer in einem gegebenen Intervall stetigen reellen Funktion können wir
uns - ein bisschen vereinfacht, aber hier ausreichend - eine Funktion x\mapsto f(x) vorstellen, deren Graph
innerhalb des gegebenen Intervalls (also für alle x aus diesem Intervall)
eine zusammenhängende Linie ist, die etwa mit dem Bleistift nachgezogen werden kann, ohne ihn abzusetzen.
So sind beispielsweise die Funktionen x\mapsto x^2 und x\mapsto e^x auf ganz \mathbb{R} stetig, die Funktion
x\mapsto {1\over x} aber nur in den Intervallen (-\infty,0) und (0,\infty).
Wenden wir eine stetige Funkton f auf alle Glieder einer reellen Zahlenfolge \langle a_n\rangle an, so bekommen wir
- vorausgesetzt, f ist für alle diese Werte wohldefiniert - wieder eine reelle Zahlenfolge, nämlich
\langle f(a_n)\rangle. Deren Eigenschaften lassen sich nun sehr leicht auf jene der Folge \langle a_n\rangle
zurückführen, wie der folgende Satz (den wir hier nicht beweisen) zeigt:
Satz: Sei \langle a_n\rangle eine konvergente reelle Zahlenfolge.
Ist f eine in einem Intervall stetige reelle Funktion, und liegen
die Glieder und der Grenzwert der Folge ebenfalls in diesem Intervall,
so gilt
\lim_{n\to\infty}\,f(a_n)=f\left(\lim_{n\to\infty}a_n\right)
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. |
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(28) |
Beispielsweise gilt, da die Exponentialfunktion f(x)=e^x auf ganz \mathbb{R} stetig ist, für
jede konvergente Folge mit Grenzwert \alpha
\lim_{n\to\infty}\,e^{a_n}=e^\alpha
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. |
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(29) |
Diese Methode, Grenzwerte zu berechnen, erweitert unsere Rechenregeln (17a) – (17e)
beträchtlich. Zwischen ihnen und (28) bestehen einige Querverbindungen:
(28) mit f(x)=x^2 sagt das Gleiche aus wie (17d) mit a_n=b_n, und
(28) mit f(x)={1\over x} sagt das Gleiche aus wie
(17e) mit a_n=1.
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Stetigkeit
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Weitere Grenzwerte konvergenter Folgen
Wir wollen nun noch drei andere Grenzwerte konvergenter Folgen vorstellen. Der erste ist
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{1\over \sqrt{n}}=0
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(30) |
Das ist nicht weiter überraschend, da die Zahlen 1,{1\over\sqrt{2}},{1\over\sqrt{3}},{1\over\sqrt{4}},{1\over\sqrt{5}},{1\over\sqrt{6}},\dots
für wachsendes n zwar positiv bleiben, aber beliebig klein werden.
Die Gültigkeit von (30) ist zwar so klar, dass ein Beweis nicht nötig erscheint.
Um den Umgang mit dem Grenzwertbegriff ein bisschen zu üben, ist es aber dennoch nützlich,
sich formale Beweise von (30) zu überlegen:
- Eine Möglichkeit wäre, auszunutzen, dass \langle \sqrt{n}\rangle monoton wachsend und nach oben unbeschränkt ist und
Satz (24) anzuwenden.
- Man kann auch direkt zur Definition (14) zurückkehren: Für jedes \epsilon>0 wählen wir eine
natürliche Zahl m, die größer als 1\over \epsilon^2 ist.
Aus m>{1\over \epsilon^2} folgt {1\over\sqrt{m}} <\epsilon.
Für alle n\geq m gilt daher |{1\over\sqrt{n}}-0|={1\over\sqrt{n}}\leq {1\over\sqrt{m}} <\epsilon,
womit (30) bewiesen ist. An derartige Argumentationen muss man sich natürlich erst einmal
gewöhnen. Gehen Sie sie noch einmal Schritt für Schritt durch!
- Eine dritte Beweismethode besteht darin, Satz (28) mit der Wurzelfunktion f(x)=\sqrt{x}, die im Intervall
[0,\infty) stetig ist, anzuwenden:
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{1\over \sqrt{n}}=\lim_{n\to\infty}\,\,\,\sqrt{{1\over n}}=
\sqrt{\lim_{n\to\infty}\,\,{1\over n}}=\sqrt{0}=0
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(31) |
Als Probe (und um die Querverbindungen in dieser Materie besser zu sehen), können Sie
die Rechenregel (17d) mit a_n=b_n={1\over\sqrt{n}} benutzen, um zu zeigen, dass
(15) aus (30) gefolgert werden kann.
Als zweites Beispiel sehen wir uns die Folge a_n=\sqrt[n]{n} an. Sie ist interessant, denn es gilt
\lim_{n\to\infty}\,\,\,{\large\sqrt[n]{n}}=1
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(32) |
Das mag überraschen, denn intuitiv würde man annehmen, dass die n-te Wurzel aus n mit wachsendem n immer größer wird.
Tatsächlich sieht ihr Punktgraph (im Bereich 1\leq n\leq 13) aber so aus:
Beginnend mit 1, springt sie auf \sqrt{2}\approx 1.41, danach auf \sqrt[3]{3}\approx 1.44, dann zurück auf
\sqrt[4]{4}=\sqrt{2}\approx 1.41, und von da an werden die Folgenglieder wieder kleiner, um sich schließlich
langsam der Zahl 1 zu nähern.
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Wir geben einen kurzen Beweis, der die Kenntnis der Logarithmusfunktion und ihrer Eigenschaften voraussetzt:
Zunächst formen wir um \sqrt[n]{n}=n^{1/n}=e^{{1\over n}\,\ln n}.
Da der Logarithmus von n langsamer wächst als n, konvergiert die Folge {1\over \large n}\,\ln n gegen 0
(was sich auch am Verhalten des Graphen der Funktion x\mapsto {1\over \large x}\,\ln x für große x zeigt).
Nun verwenden wir (29):
\lim_{n\to\infty}\,\,\,e^{{1\over n}\,\ln n} = e^0=1
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, |
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(33) |
womit (32) bewiesen ist.
Der dritte Grenzwert, den wir hier besprechen, ist
\lim_{n\to\infty}\,\,\,\left(1+{1\over n}\right)^n=\large e
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(34) |
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Logarithmus
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Diese Beziehung wird oft auch als Definition der (Eulerschen) Zahl e verwendet.
Im Kapitel über die Exponentialfunktion und den Logarithmus wird sie auf andere Weise definiert und
ausführlich besprochen. Dort tritt auch die Beziehung (34) als Methode auf, sie numerisch zu berechnen.
Hier wollen wir eine Beweisidee geben, dass die Folge \left\langle(1+{1\over n})^n\right\rangle konvergiert.
Gleichzeitig ergibt sich daraus eine bequeme Methode, e zwischen zwei Folgen einzugrenzen.
Das Argument verläuft in 4 Schritten, auf deren detaillierte Durchführung wir aber hier verzichten:
- Die Folge \langle a_n\rangle mit a_n=(1+{1\over n})^n ist monoton wachsend.
- Die Folge \langle b_n\rangle mit b_n=(1+{1\over n})^{n+1} ist monoton fallend.
- Für alle n\in\mathbb{N} gilt a_n < b_n.
- Schließlich gilt b_n-a_n\to 0 für n\to \infty.
Diese Sachverhalte lassen sich sehr schön anhand der Punktgraphen der Folgen \langle a_n\rangle (rot)
und \langle b_n\rangle (blau) illustrieren:
Aus 1, 2 und 3 folgt zusammen mit dem Kriterium (22), dass beide Folgen konvergent sind,
womit das Hauptziel, die Konvergenz von a_n zu zeigen, erreicht ist. Wir bekommen aber noch mehr:
Da e gleichzeitig eine obere Schranke für die Folge \langle a_n\rangle und eine untere Schranke für
die Folge \langle b_n\rangle ist, können wir schreiben:
\left(1+{1\over n}\right)^n < {\large e} < \left(1+{1\over n}\right)^{n+1}
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für alle n\in\mathbb{N}. |
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(35) |
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Die Zahl e
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Für jede natürliche Zahl n erhalten wir damit zwei Ungleichungen, die den Wert von e eingrenzen,
Da sich aufgrund des obigen Schrittes 4 die Glieder der beiden Folgen für genügend große n beliebig nahe kommen, folgt, dass
sie beide den gleichen Grenzwert (nämlich e) besitzen. Daher wird der Wert von e durch (35)
für genügend große n beliebig genau eingegrenzt.
Für n=1 ergibt sich 2 < e < 4, für n=2 ergibt sich {9\over 4}=2.25 < e < {27\over 8}=3.375, usw.
Für n=100 ergibt sich 2.70... < e < 2.73... Die Folgen konvergieren also nicht
gerade berauschend schnell gegen e=2.71828.... Wir werden weiter unten in diesem Kapitel eine effizientere
Methode zur Berechnung von e kennen lernen.
Wir ergänzen, dass für jede gegebene (und fest gehaltene) reelle Zahl x
\lim_{n\to\infty}\,\,\,\left(1+{x\over n}\right)^n=\large e^x
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(36) |
gilt. Beziehung (34) ist dann einfach der Spezialfall hiervon für x=1.
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Rekursive Folgendarstellung
Bis jetzt haben wir alle Beispiele von Folgen durch ein explizites Bildungsgesetz definiert, also durch eine Formel, die
a_n unmittelbar durch n ausdrückt. Folgen können aber auch auf andere Arten charakterisiert werden. Besonders
wichtig sind rekursive Darstellungen (oder rekursive Bildungsgesetze).
Sehen wir uns beispielsweise die arithmetische Folge (6a)
an: Jedes Folgenglied wurde gewonnen, indem zum vorherigen 3 addiert wurde. Begonnen wurde mit der Zahl 4 als erstem Glied.
Diese Beschreibung legt die Folge (6a) ebensogut fest wie das explizite Bildungsgesetz
(7a). Formal können wir sie so anschreiben:
a_{n+1}=a_n + 3 für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0=4 .
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(37) |
Das eigens angegebene erste Folgenglied (hier a_0=4) heißt Anfangswert oder Startwert.
Alle folgenden Glieder können wie angegeben aus dem jeweils vorherigen gewonnen werden (nämlich, indem 3 addiert wird).
Analog kann die
geometrische Folge (9a), deren explizites Bildungsgesetz (10a)
ist, durch die rekursive Darstellung
a_{n+1}=2\,a_n für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0=3
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(38) |
ersetzt werden, da jedes Folgenglied - beginnend mit der Zahl 3 - durch Verdopplung des jeweils vorherigen Gliedes erhalten wurde.
(37) und (38) sind Beispiele für rekursive Folgendarstellungen. In ihnen wird
a_{n+1} durch a_n (und nicht direkt durch n) ausgedrückt. Diese beiden Folgen lassen sich also
entweder durch ein (einfaches) explizites Bildungsgesetz oder in (einfacher) rekursiver Form darstellen.
Warum zwei Darstellungen der gleichen Sache? Rekursive Folgendarstellungen können einige Vorteile haben:
- Es gibt Folgen, die in rekursiver Form gegeben sind, für die sich aber kein einfaches
explizites Bildungsgesetz angeben lässt. Ein Beispiel ist
a_{n+1}=4\,a_n - {a_n}^2 für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0={1\over 2} .
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(39) |
Wenn Sie sich den Punktgraphen dieser Folge im Bereich 0\leq n \leq 24 ansehen
dann ist es zumindest plausibel, dass sich keine einfache Formel für a_n als Funktion von n finden lässt.
- Rekursive Darstellungen kommen der Idee einer Folge als Prozess entgegen, indem wir uns vorstellen, dass die Variable
n die (Zeit-)Schritte in einer dynamischen Entwicklung durchzählt.
So drückt (37) das Wachstum einer Größe gemäß der Regel
"nach jedem (Zeit-)Schritt wird 3 addiert" aus, und (38) bringt die Regel "nach jedem (Zeit-)Schritt wird verdoppelt"
klar zum Ausdruck. Die Darstellung (39) ist etwas komplizierter - sie beschreibt die Entwicklung einer
Größe, die in jedem Zeitschritt zuerst vervierfacht und danach um ihr Quadrat vermindert
wird. Falls Ihnen das aus dieser Regel resultierende - im obigen Punktgraphen für die ersten 25 Glieder grafisch dargestellte -
Verhalten der Folge recht "chaotisch" vorkommt, so haben Sie damit ganz recht:
Bei der rekursiven Regel a_{n+1}=4\,a_n - {a_n}^2 handelt sich tatsächlich um ein "chaotisches System".
Wir erwähnen in diesem Zusammenhang noch, dass es auch allgemeinere Formen rekursiver Darstellungen gibt,
bei denen in den Schritt zum jeweils nächsten Folgenglied auch die Schrittnummer n eingeht. Ein Beispiel dafür
wäre a_{n+1}=4\,a_n - {{a_n}^2\over n+1}. Mit derartigen Regeln kann berücksichtigt werden, dass sich ein
bestimmer Einfluss in bekannter Weise mit der Zeit (also mit der Schrittnummer n) ändert.
- Schließlich kommen rekursive Folgendarstellungen der Rechenweise von Computern entgegen.
Das Verhalten rekursiv gegebener Folgen lässt sich etwa mit Computeralgebra oder Tabellenkalkulation leicht
studieren. Das Wort Algorithmus, das allgemein eine eindeutige, Schritt für Schritt durchzuführende
Handlungsanweisung zur Lösug eines Problems bezeichnet, wird gerne für derartige Berechnungen verwendet:
Der Rechner muss lediglich eine bestimmte Operation immer wieder anwenden, zuerst auf den Startwert,
dann auf das Ergebnis, dann auf das neue Ergebnis usw. Diese Art von Wiederholung wird auch Iteration genannt.
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Chaos
(in Vorbereitung)
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Zu zeigen, dass eine in rekursiver Darstellung gegebene Folge konvergiert, kann in der Praxis schwierig sein.
Die Berechnung von Grenzwerten hingegen (sofern sie existieren) ist in der Regel sehr leicht.
Wir demonstrieren letzteres anhand der Folge
a_{n+1}={1\over 2}\left(a_n + {{\large 2}\over {\Large{a_n}}}\right) für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0=1 .
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(40) |
Die ersten vier Folgenglieder sind: 1, 1.5, 1.4166... und 1.4142.... Die Folge scheint zu konvergieren,
wie auch der Punktgraph nahe legt:
Was ist ihr Grenzwert? Er ist erstaunlich leicht zu ermitteln. Dazu nehmen an, dass der Grenzwert der Folge
\langle a_n\rangle existiert und bilden die Grenzwerte beider Seiten der Rekursionsbeziehung
a_{n+1}={1\over 2}\left(a_n + {2\over a_n}\right){\sf \small .}
Mit der Bezeichnung
\alpha=\lim_{n\to\infty}a_n=\lim_{n\to\infty}a_{n+1}
(wobei klar ist, dass \langle a_n\rangle und \langle a_{n+1}\rangle den gleichen Grenzwert besitzen)
und unter Ausnutzung der Rechenregeln (17a) bis (17e) ergibt sich
\alpha = {1\over 2}\left(\alpha+{2\over\alpha}\right)
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, |
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(41) |
also eine simple quadratische Gleichung! Ihre Lösungen sind \alpha=-\sqrt{2} und \alpha=\sqrt{2}.
Da wir mit dem positiven Startwert a_0=1 begonnen haben und die Rekursionsformel aus einem positiven a_n immer ein
positives a_{n+1} macht, scheidet die negative Lösung aus. Daraus schließen wir: Entweder die Folge
\langle a_n\rangle divergiert, oder es gilt
\lim_{n\to\infty}a_n=\sqrt{2}
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(42) |
Tatsächlich trifft die zweite Möglichkeit zu, d.h. die Folge (40) konvergiert gegen
\sqrt{2}.
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Der Beweis der Konvergenz ist nicht so leicht wie die unter der Annahme der Konvergenz durchgeführte
Berechnung des Grenzwerts. Er kann so geführt werden:
- Für alle x>0 gilt {1\over 2}\left(x+{2\over x}\right)\geq \sqrt{2}. (Das kann mittels einer "Kurvendiskussion"
der Funktion f(x)={1\over 2}\left(x+{2\over x}\right) gezeigt werden). Daraus folgt, dass für alle Folgenglieder
(außer dem Startwert) a_n\geq \sqrt{2} gilt.
- Damit lässt sich zeigen, dass die Folge \langle a_n\rangle (wenn a_0 außer Acht gelassen wird)
monoton fallend ist: Aus a_n\geq \sqrt{2} folgt nach einigen Ungleichungs-Umformungen {1\over 2}\left(a_n+{2\over a_n}\right) \leq a_n.
- Da andererseits die Folge nach unten beschränkt ist (a_n>0 für alle n), ergibt sich
mit dem Kriterium (22) ihre Konvergenz, d.h. die Existenz eines Grenzwerts.
Damit haben nicht nur ein Beispiel für die Analyse einer in rekursiver Darstellung gegebenen Folge, sondern (sozusagen als
Nebenprodukt) auch ein erstaulich einfaches Verfahren vor uns, das es gestattet,
\sqrt{2} numerisch zu beliebiger Genauigkeit zu berechnen! Warum beliebig genau? Weil die Folge konvergiert,
d.h. für genügend große n dem Grenzwert \sqrt{2} beliebig nahe kommt.
Der Startwert a_0 kann übrigens auch anders gewählt werden, solange er positiv ist.
Die Rekursion (40) kann nicht durch ein einfaches explizites Bildungsgesetz ersetzt werden.
Eine Verallgemeinerung von (40) ist die Folge
a_{n+1}={1\over 2}\left(a_n + {{\large x}\over {\Large{a_n}}}\right) für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0=1 ,
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(43) |
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Kurvendiskussion
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wobei x eine beliebige festgehaltene positive reelle Zahl ist. Diese Folge konvergiert gegen \sqrt{x}.
(43) ist ein (sehr effektives) Verfahren, beliebige Quadratwurzeln
numerisch zu beliebiger Genauigkeit zu berechnen!
Sie wird in einem späteren Kapitel in einem anderen Zusammenhang - aber mit dem gleichen Zweck - auftreten.
Versuchen Sie als Übungsaufgabe, dieses Verfahren zu einem Näherungsalgorithmus für die Berechnung der dritten
(oder, allgemein, der p-ten) Wurzel abzuändern!
Berühmt ist die durch
a_{n+2}=a_{n+1}+a_n für alle n\in\mathbb{N}_0
\quad\,\,\,\, a_0=0
\quad\,\,\,\, a_1=1
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(44) |
definierte Fibonacci-Folge. In diesem Fall greift die Rekursion nicht nur auf das jeweils vorige, sondern auch auf das
vorvorige Folgenglied zurückt, weshalb nun das erste und das zweite Glied angegeben werden müssen.
Diese Folge wurde von Leonardo Fibonacci aus Pisa (um 1180 – 1241) benutzt, um das Wachstum einer Kaninchenpopulation
zu modellieren. Sie kann auch durch ein explizites Bildungsgesetz definiert werden, das erstaunlicherweise
so aussieht:
a_n={1\over \sqrt{5}}\left(\left(1+\sqrt{5}\over 2\right)^n + \left(1-\sqrt{5}\over 2\right)^n\right)
\qquad\qquad\qquad n\in\mathbb{N}_0
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(45) |
Die Fibonacci-Folge ist monoton wachsend und nach oben unbeschränkt, daher nicht konvergent. Die Folge der Quotienten aufeinanderfolgender
Glieder, \langle{a_{n+1}\over a_n}\rangle, konvergiert gegen das Verhältnis des goldenen Schnitts,
\Phi={1\over 2}(1+\sqrt{5})\approx 1.618. Für große n nimmt die Fibonacci-Folge daher näherungsweise das Verhalten einer
(unbegrenzt wachsenden) geometrischen Folge an.
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Berechnung der Quadratwurzel
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Differenzengleichungen
Als letztes Thema in diesem Abschnitt über Folgen erwähnen wir noch, dass rekursive Bildungsgesetze
manchmal so formuliert werden, dass zu jedem Glied der Folge ein bestimmter (in der Regel kleiner) Term addiert wird, um zum
nächsten Glied zu gelangen. Ein Beispiel ist a_{n+1} = a_n + {1\over 20}a_n(10-a_n), was wir auch in der Form
a_{n+1}-a_n={1\over 20}a_n(10-a_n) für alle n\in\mathbb{N}_0
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(46) |
anschreiben können. Diese Form einer Differenzengleichung gibt also direkt die Änderung an,
die die durch die Folge beschriebene dynamische Größe bei jedem Schritt erfährt.
Im Beispiel (46) ist diese Änderung proportional zum Produkt aus dem vorigen Wert a_n mit der Differenz
10-a_n. Ist 0 < a_0 \ll 10, so drückt der Faktor a_n eine beschleunigende Tendenz aus
(Zuwachs proportional zum aktuellen Wert), wohingegen der Faktor 10-a_n mit wachsendem a_n kleiner
wird und das Wachstum bremst.
Ist der Koeffizient des linearen Terms auf der rechten Seite (in unserem Beispiel {1\over 20}\cdot 10={1\over 2})
nicht zu groß, so beschreibt ein derartiges Gesetz ein so genanntes logistisches Wachstum einer
Population, das (beginnend mit einem kleinen a_0) zunächst annähernd exponentiell verläuft und sich dann
verlangsamt, so dass die Populationsgröße a_n schließlich gegen
eine Kapazitätsgrenze (in unserem Fall 10) konvergiert.
Hier der Punktgraph der Folge (46) mit a_0=1 im Bereich 0\leq n\leq 20:
Mehr dazu in einem späteren Kapitel.
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Dynamische Systeme
(in Vorbereitung)
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Grenzwerte reeller Funktionen |
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In diesem Abschnitt wollen wir ein Thema ansprechen, das in einem anderen Kapitel ausführlicher behandelt wird,
das aber mit Folgen und ihren Grenzwerten in Zusammenhang steht. Sie können ihn überspringen,
falls Sie diese Inhalte nicht (oder im Moment nicht) benötigen.
Wir haben bisher einige Male von "Prozessen" gesprochen und dabei diskrete Prozesse gemeint, also
Prozesse, die (in Gedanken) schrittweise ausgeführt werden. Die "Schritte" wurden durch die
natürlichen Zahlen (egal, ob mit oder ohne 0) dargestellt. Man kann sich aber auch kontinuierliche Prozesse
vorstellen, die von einer reellen Variable gesteuert werden. Ist beispielsweise eine reelle Funktion f gegeben, so kann gefragt werden,
wie sich f(x) verhält, wenn x jede Schranke über- oder unterschreitet (was wir mit x\to\infty oder x\to-\infty
bezeichnen) oder wenn x sich einem gegebenen Wert x_0 nähert. Können auch reelle Funktionen Grenzwerte besitzen?
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Fragen dieser Art lassen sich mit Hilfe von Folgen und ihren Grenzwerten in den Griff bekommen.
Wir listen hier nur einige Definitionen und Beispiele auf und verweisen auf das Kapitel über Stetigkeit für weitere Details.
Im Folgenden bezeichnet A\subseteq\mathbb{R} den Definitionsbereich einer reellen Funktion.
Der Wert x_0, von dem in einigen der Definitionen die Rede ist, kann - muss aber nicht - in A liegen.
- Grenzwert einer Funktion für x\to\infty
Ist f:A\to\mathbb{R} eine Funktion, deren Defintionsbereich A ein Intervall der Form (c,\infty) enthält,
so sagen wir, dass sie für x\to\infty gegen die reelle Zahl \alpha konvergiert und schreiben dafür
\lim_{x\to\infty}f(x)=\alpha\,\,{\sf \small ,}
wenn für jede monoton wachsende und nach oben unbeschränkte Folge \langle a_n\rangle, deren Glieder in A liegen,
gilt
\lim_{n\to\infty}f(a_n)=\alpha\,\,{\sf \small .}
Beispiel: |
Plot |
\lim_{x\to\infty}\,\,{3x^2+2x-1\over 4x^2-x+7}={3\over 4} |
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- Grenzwert einer Funktion für x\to-\infty
Ist f:A\to\mathbb{R} eine Funktion, deren Defintionsbereich A ein Intervall der Form (-\infty,c) enthält,
so sagen wir, dass sie für x\to-\infty gegen die reelle Zahl \alpha konvergiert und schreiben dafür
\lim_{x\to-\infty}f(x)=\alpha\,\,{\sf \small ,}
wenn für jede monoton fallende und nach unten unbeschränkte Folge \langle a_n\rangle, deren Glieder in A liegen,
gilt
\lim_{n\to\infty}f(a_n)=\alpha\,\,{\sf \small .}
Beispiel |
Plot |
\lim_{x\to-\infty}\,\,{2x^3+x-1\over 5x^3+4x^2-7}={2\over 5} |
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- Grenzwert einer Funktion für x\to x_0
Ist f:A\to\mathbb{R} eine Funktion, deren Definitionsbereich A zwei Intervalle der Form
(x_0-\epsilon,x_0) und (x_0,x_0+\epsilon) für ein \epsilon>0
enthält, so sagen wir, dass sie für x\to x_0 gegen die reelle Zahl \alpha konvergiert
und schreiben dafür
\lim_{x\to x_0}f(x)=\alpha\,\,{\sf \small ,}
wenn für jede gegen x_0 konvergierende Folge \langle a_n\rangle, deren Glieder in A liegen,
gilt
\lim_{n\to\infty}f(a_n)=\alpha\,\,{\sf \small .}
Beispiel |
Plot |
\lim_{x\to 2}\,\,{x^2-4\over x-2}=4 |
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- Linksseitiger Grenzwert einer Funktion für x\uparrow x_0
Ist f:A\to\mathbb{R} eine Funktion, deren Definitionsbereich ein Intervall der Form (x_0-\epsilon ,x_0) für ein \epsilon>0 enthält, so sagen wir, dass sie
für x\uparrow x_0 ("von links"
oder "von unten") gegen die reelle Zahl \alpha konvergiert
und schreiben dafür
\lim_{x\uparrow x_0}f(x)=\alpha\,\,{\sf \small ,}
wenn für jede gegen x_0 konvergierende Folge \langle a_n\rangle, deren Glieder in A liegen und alle kleiner als x_0 sind, gilt
\lim_{n\to\infty}f(a_n)=\alpha\,\,{\sf \small .}
Beispiel |
Plot |
\lim_{x\uparrow 0}\,\,{|x|\over x}=-1 |
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- Rechtsseitiger Grenzwert einer Funktion für x\downarrow x_0
Ist f:A\to\mathbb{R} eine Funktion, deren Definitionsbereich A ein Intervall der Form (x_0,x_0+\epsilon) für ein \epsilon>0 enthält, so sagen wir,
dass sie für x\downarrow x_0 ("von rechts"
oder "von oben") gegen die reelle Zahl \alpha konvergiert
und schreiben dafür
\lim_{x\downarrow x_0}f(x)=\alpha\,\,{\sf \small ,}
wenn für jede gegen x_0 konvergierende Folge \langle a_n\rangle, deren Glieder in A liegen und alle größer als x_0 sind, gilt
\lim_{n\to\infty}f(a_n)=\alpha\,\,{\sf \small .}
Beispiel |
Plot |
\lim_{x\downarrow 0}\,\,{|x|\over x}=1 |
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Stetigkeit
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Die Stetigkeit einer reellen Funktion kann nun durch diese Begriffe ausgedrückt werden:
- Falls der Definitionsbereich einer Funktion f ein Intervall der Form (x_0-\epsilon ,x_0+\epsilon) für ein \epsilon>0 enthält, und
falls ihr Grenzwert für x\to x_0 existiert und mit f(x_0) übereinstimmt, so nennen wir f an der Stelle x_0
stetig. Dann existieren auch der links- und der rechtsseitige Grenzwert, und beide stimmen mit f(x_0) überein.
- Falls x_0 am Rand von A liegt (wie der Punkt x_0=0 im Fall der Wurzelfunktion f(x)=\sqrt{x} ), so nennen wir f am Punkt
x_0 stetig, wenn der links- bzw. rechtsseitige Grenzwert existiert und mit f(x_0) übereinstimmt.
Eine mathematisch nicht sehr exakte, aber nützliche Vorstellung der Stetigkeit in einem Punkt ist die folgende: Eine reelle Funktion ist an einer Stelle
x_0 stetig, wenn sie dort wohldefiniert ist, und wenn es möglich ist, ihren Graphen in der Nähe von x_0 mit dem
Bleistift zu zeichnen, ohne abzusetzen. Falls beispielsweise der links- und der rechtsseitige Grenzwert existieren, aber nicht übereinstimmen,
so muss man beim Zeichnen (von links nach rechts) beim linksseitigen Grenzwert absetzen, um die "Sprungstelle" zu überwinden und
beim rechtsseitigen Grenzwert mit dem Zeichnen fortzufahren. Ist eine Funktion in allen Punkten eines Intervalls stetig, so heißt sie
"in diesem Intervall stetig".
Diesen Stetigkeitsbegriff haben wir oben im Satz (28) verwendet. Um nicht im Kreis zu
argumentieren, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten: In der Formulierung von (28) wird vorausgesetzt, dass
f eine stetige Funktion ist. (28) kann dann benutzt werden, um Grenzwerte von Folgen zu berechnen.
Umgekehrt kann die Stetigkeit einer Funktion gezeigt werden, indem bewiesen wird,
dass alle konvergenten Folgen die in (28) gegebene Formel
\lim_{n\to\infty}\,f(a_n)=f\left(\lim_{n\to\infty}a_n\right)
erfüllen.
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Stetigkeit
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Wir kommen nun zu einer letzten Version des "Unendlichen".
Eine Reihe ist - vereinfacht gesprochen - eine "unendliche Summe", wie beispielsweise
1+{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 8}+{1\over 16}+\dots
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(47) |
Aber was soll es genau bedeuten, dass eine solche "Summe" einen Sinn hat und auf ein
bestimmtes Ergebnis führt? Die Antwort ist: Wir führen das Problem auf eines zurück, das wir mit Hilfe
einer Folge beantworten können. Wir betrachten die Folge der Partialsummen, die dadurch entsteht, dass
wir nur endlich viele Summanden berücksichtigen:
s_0 = 1 |
s_1 = 1+{1\over 2}={3\over 2}=1.5 |
s_2 = 1+{1\over 2}+{1\over 4}={7\over 4}=1.75 |
s_3 = 1+{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 8}={18\over 8}=1.875 |
s_4 = 1+{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 8}+{1\over 16}={31\over 16}=1.9375 |
usw. |
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(48) |
Von dieser Folge \langle s_n\rangle lässt sich nun fragen, ob sie einen Grenzwert besitzt. Ist das der Fall,
so nennen wir die Reihe konvergent. Den Grenzwert der Folge der Partialsummen nennen wir den Wert der Reihe
(oder die Summe der Reihe).
Hier haben wir einen Grenzprozess vor uns, der die Idee der "schrittweisen Aufsummierung von unendlich vielen Zahlen"
in eine mathematisch exakte Form bringt. Wie wir sehen, sind die Folgen und ihre Grenzwerte wahre Wundermittel,
wenn es um das "Unendliche" geht.
Auch die Summanden einer Reihe bilden eine Folge. Die Reihe (47) können wir als
"Aufsummierung" der Glieder der durch a_0=1, a_1={1\over 2}, a_2={1\over 4}, a_3={1\over 8},...
definierten Folge ansehen. Es handelt sich dabei um die geometrische Folge mit dem Bildungsgesetz
a_n={1\over 2^n} |
für n\in\mathbb{N}_0 . |
Um nicht bei jeder Reihe so viele Summanden hinschreiben zu müssen, bis das Bildungsgesetz
klar wird, können wir das Summensymbol \Sigma (ein griechisches "Sigma") verwenden und (47)
in der Form
\sum_{n=0}^\infty\,\,{1\over 2^n}
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(49) |
anschreiben. Wir lesen diese Schreibweise als Aufforderung, Kopien des angegebenen Ausdrucks aufzusummieren,
in die nacheinander n=0, n=1, n=2,... eingesetzt wurde. Ein anderes Beispiel für die Benutzung des Summensymbols ist
\sum_{k=3}^7 \,\,{z^n\over n^2}={z^3\over 3^2}+{z^4\over 4^2}+{z^5\over 5^2}+{z^6\over 6^2}+{z^7\over 7^2}\,\,{\sf \small .}
Der Anfangs- und der Endwert des "Summationsindex" (dessen Name keine Rolle spielt - hier heißt er k, in
(49) heißt er n) sind unterhalb und oberhalb des Summensymbols angegeben.
Wir sprechen es (in diesem Beispiel) als "Summe von n=3 bis 7" aus.
Ein einfaches Beispiel für eine konvergente Reihe ist gleich unser erstes Beispiel (47) bzw. (49).
Der Wert dieser Reihe ist 2:
1 + {\small{{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 8}+{1\over 16}+\dots}} \,\equiv\, \sum_{n=0}^\infty\,\,{1\over 2^n} = 2
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. |
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(50) |
Das Symbol \equiv ("identisch) drückt lediglich aus, dass es sich um zwei unterschiedliche Schreibweisen
ein- und derselben Sache handelt.
Beweis: Wir schreiben 1+1=2. Den zweiten Summanden zerlegen wir in 1={1\over 2}+{1\over 2}, daher
gilt 1+{1\over 2}+{1\over 2}=2. Den letzten Summanden zerlegen wir in {1\over 2}={1\over 4}+{1\over 4}, daher
gilt 1+{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 4}=2 usw. Nach n Schritten erhalten wir
1+{1\over 2}+{1\over 4}+{1\over 8}+\dots+{1\over 2^n}+{1\over 2^n}=2 ,
woraus folgt, dass die Partialsumme s_n gleich 2-{1\over 2^n} ist. Die ersten Glieder dieser Folge sind gerade die in (48)
angeschriebenen Werte. Da \langle{1\over 2^n}\rangle\to 0, folgt \langle 2-{1\over 2^n}\rangle\to 2 für n\to\infty, womit alles
bewiesen ist.
Beim Rechnen mit konvergenten Reihen sind vor allem zwei Regeln wichtig:
Rechenregeln: Sind
\sum_{n=0}^\infty\,\,a_n |
und |
\sum_{n=0}^\infty\,\,b_n |
konvergente Reihen, und ist c eine reelle Zahl, so gilt
\sum_{n=0}^\infty\,\,c\,a_n = c\,\sum_{n=0}^\infty\,\,a_n
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(51a) |
und
\sum_{n=0}^\infty\left(a_n+b_n\right) = \sum_{n=0}^\infty\,\,a_n\,\,+\,\,\sum_{n=0}^\infty\,\,b_n\,\,{\sf \small .}
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(51b) |
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Gemeinsam drücken sie aus, dass das Bilden des Werts einer konvergenten Reihe eine lineare Operation ist, ganz analog wie
(17b) und (17c) die Linearität des Grenzwertbildens ausdrücken.
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lineare Operation
(in Vorbereitung)
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Konvergenzkriterien für Reihen
Nachdem die nötigen Begriffe eingeführt wurden, stellt sich die Frage, wie man feststellen kann,
ob eine gegebene Reihe reeller Zahlen
kovergiert und - falls ja - welchen Wert sie besitzt. Dafür gibt es zahlreiche
Kriterien und Verfahren, von denen wir hier nur die allerwichtigsten anführen. Wir beziehen uns
dabei auf Reihen der Form (52), bei denen der Summationsindex mit 0 beginnt.
Falls er mit 1 beginnen soll, so kann man in (52) einfach a_0=0 setzen.
Die Zahlen a_n nennt man Glieder (oder Summanden) der Reihe.
Die Partialsummen sind durch
s_n=a_0+a_1+\dots +a_{n-1}+a_n\,\equiv\,\sum_{k=0}^n\,\,a_k
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(53) |
gegeben (wobei der Summationsindex nun k heißt, da der Buchstabe n ja schon "besetzt" ist).
Konvergiert die Reihe (52), so ist ihr Wert gleich dem Grenzwert der Folge der
Partialsummen:
\sum_{n=0}^\infty\,\,a_n=\lim_{n\to\infty}s_n
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. |
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(54) |
Unser erstes Kriterium ist ein negatives - es kann auf Anhieb zeigen, dass gewisse Reihen nicht konvergent sind:
Satz: Falls die Reihe (52) konvergiert, so gilt
\lim_{n\to\infty}\,\,a_n = 0\,\,{\sf \small ,}
d.h. die Folge \langle a_n\rangle ist eine Nullfolge. Ist das nicht der Fall, so wissen wir automatisch,
dass die Reihe divergiert.
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(55) |
Beweis: Für die Glieder der Folge der Partialsummen gilt s_n=s_{n-1}+a_n für alle n\in\mathbb{N}.
Wir bilden von beiden Seiten den Grenzwert, bezeichnen den Wert der Reihe (52) mit r und erhalten
\underbrace{\lim_{n\to\infty}s_n}_{r}=\underbrace{\lim_{n\to\infty}s_{n-1}}_{r}+\lim_{n\to\infty}a_n\,\,{\sf \small ,}
also
r=r+\lim_{n\to\infty}a_n |
und daher |
\lim_{n\to\infty}a_n=0\,\,{\sf \small .} |
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Nun folgen einige Kriterien, die benutzt werden, um die Konvergenz von Reihen zu zeigen.
Falls Sie sie nicht (oder im Moment nicht) benötigen, können Sie sie überspringen
und weiter unten bei den konkreten Beispielen für Reihen weiterlesen. Die Konvergenzkriterien
werden dort nur an zwei Stellen angewandt, die Sie dann einfach ignorieren können.
Satz (Majorantenkriterium): Ist
\sum_{n=0}^\infty\,\,b_n
eine Reihe, von der bereits bekannt ist, dass sie konvergiert, und gilt
|a_n|\leq b_n für alle n\in\mathbb{N}_0,
so konvergiert auch die Reihe (52).
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(56) |
Beweis: Die Folge der Partialsummen
r_n=\sum_{k=0}^n\,\,|a_k|
ist monoton wachsend (da beim Hinaufzählen von n bei jedem Schritt ja nur ein nichtnegativer Wert zur
vorherigen Partialsumme dazu kommt). Als Folge der Ungleichung |a_n|\leq b_n und der Konvergenz der Reihe der
b_n ist sie nach oben beschränkt. Nach dem Kriterium (22) ist sie konvergent,
und daher auch die Reihe
\sum_{n=0}^\infty\,\,|a_n|\,\,{\sf \small .}
(Die intuitive Version dieses Arguments lautet: Da die "unendliche Summe" der
nicht-negativen Zahlen b_n endlich ist, gilt das auch für die "unendliche Summe" der
nicht-negativen Zahlen |a_n|, die ja alle kleiner-gleich b_n sind).
Um zu zeigen, dass auch die Reihe (52), also jene ohne die Betragsstriche, konvergiert, zerlegen wir jede Partialsumme s_n
in einen Anteil r^{\rm pos}_n, der ihre positiven Glieder aufsummiert und einen Anteil -r^{\rm neg}_n, der die negativen Glieder aufsummiert:
s_n=r^{\rm pos}_n-r^{\rm neg}_n. (Die Glieder, die 0 sind, können wir ignorieren).
Die Partialsummen der Reihe der Beträge |a_n| sind daher durch
r_n=r^{\rm pos}_n+r^{\rm neg}_n gegeben.
Beide Folgen \langle r^{\rm pos}_n\rangle und \langle r^{\rm neg}_n\rangle bestehen nur aus positiven Gliedern und sind
monoton wachsend. Weiters sind sie durch den Grenzwert der Folge \langle r_n\rangle = \langle r^{\rm pos}_n+r^{\rm neg}_n\rangle
(dessen Existenz wir ja schon bewiesen haben) nach oben beschränkt, sind also beide konvergent. Daher ist auch die Folge
\langle s_n\rangle = \langle r^{\rm pos}_n-r^{\rm neg}_n\rangle konvergent, was gleichbedeutend mit der
Konvergenz von (52) ist.
Satz (Quotientenkriterium): Falls es eine Konstante K<1 gibt, so dass
{\Large{|a_{n+1}|\over |a_n|}}\leq K für alle n\in\mathbb{N}_0,
so konvergiert die Reihe (52).
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(57) |
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Wir beweisen dieses Kriterium nicht, sondern erwähnen nur, dass der Beweis eng mit der weiter unten zu besprechenden
geometrischen Reihe zusammenhängt.
Satz (Wurzelkriterium): Falls es eine Konstante K<1 gibt, so dass
\sqrt[n]{|a_n|}\leq K für alle n\in\mathbb{N}_0,
so konvergiert die Reihe (52).
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(58) |
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Auch dieses Kriterium beweisen wir nicht, sondern erwähnen nur, dass der Beweis ebenfalls eng mit der weiter unten zu besprechenden
geometrischen Reihe zusammenhängt.
Für das nächste Kriterium benötigen wir einen neuen Begriff:
Gilt a_n=(-1)^n b_n mit b_n\geq 0 für alle n\in\mathbb{N}_0, so nennen wir
(52) eine alternierende Reihe, da ihre Glieder abwechselnd nicht-negativ und nicht-positiv sind.
Für solche Reihen gilt:
Satz (Leibniz-Kriterium): Ist (52) eine alternierende Reihe
(d.h. a_n=(-1)^n b_n mit b_n\geq 0 für alle n\in\mathbb{N}_0)
und konvergiert die Folge \langle b_n\rangle monoton (wachsend oder fallend) gegen 0, so
konvergiert auch die Reihe (52).
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(59) |
Wir geben auch hierfür keinen Beweis. Er wird geführt, indem die Partialsummen in geschickter Weise
durch die a_n mit geradem und ungeradem n ausgedrückt werden.
Wir kommen zum letzten Kriterium. Auch dafür zuerst eine Definition:
Falls die Reihe
\sum_{n=0}^\infty\,\,|a_n|
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(60) |
konvergiert, so nennen wir die Reihe (52) absolut konvergent.
Für solche Reihen gilt:
Satz: Eine absolut konvergente Reihe ist konvergent.
Geht man also von einer konvergenten Reihe aus, deren
Glieder alle nicht-negativ sind, so bleibt die Konvegenz bestehen, wenn das Vorzeichen
beliebiger Reihenglieder umgekehrt wird.
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(61) |
Beweis: Diesen Sachverhalt haben wir bereits beim Beweis des Majorantenkriteriums (56)
benötigt und gezeigt.
Anmerkung: Wird eine absolut konvergente Reihe "umgeordnet", d.h. ihre Glieder in irgendeiner anderen Reihenfolge
aufsummiert, so ändern sich dadurch weder ihre Kovergenz noch ihr Wert. Das gilt nicht für konvergente Reihen im Allgemeinen!
Da es bei der Konvergenz einer Reihe nicht auf die ersten endlich vielen Glieder ankommt, kann in all diesen Kriterien
die Formulierung "für alle n\in\mathbb{N}_0" ersetzt werden durch
"für alle n ab einem bestimmten Index m".
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Beispiele für Reihen
Eine geometrische Reihe entsteht durch die Aufsummierung der Glieder einer geometrischen Folge.
Eine geometrische Folge kann allgemein durch ein Bildungsgesetz der Form (11),
a_n=a_0\,q^n für n\in\mathbb{N}_0, charakterisiert werden. Eine geometrische Reihe mit |q|<1 konvergiert. Ihr Wert ist
durch
a_0+a_0\,q+a_0\,q^2+a_0\,q^3+\dots\,\equiv\,a_0\left(1+q+q^2+q^3+\dots\right)\,\equiv\,
a_0\,\sum_{n=0}^\infty q^n={a_0\over 1-q}
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(62) |
gegeben.
Beweis: Eine sehr schöne Begründung der Konvergenz und des Werts von Reihen dieses Typs ergibt sich aus der Identität
(1+q+q^2+q^3+\dots+q^n)(1-q)=1-q^{n+1}\,\,{\sf \small ,}
die durch simples Ausmultiplizieren der Klammerausdrücke gewonnen wird. Daher ist die Folge der Partialsummen durch
s_n=a_0\,{1-q^{n+1}\over 1-q}
gegeben, die (sofern |q|<1) wegen q^{n+1}\to 0 für n\to\infty gegen \Large{a_0\over 1-q} konvergiert.
Damit ist alles bewiesen.
Die Partialsummen einer geometrischen Reihe werden auch endliche geometrische Reihen genannt.
Anmerkung: Die Konvergenz der geometrischen Reihe (für |q|<1) und ihr Wert wird beim (hier nicht geführten) Beweis des
Quotientenkriteriums (57) und des Wurzelkriteriums (58) verwendet. Um den Zusammenhang
mit dem Quotientenkriterium zu sehen, drehen wir den Spieß um: Ist es einmal bewiesen, so folgt daraus
auch die Konvergenz der geometrischen Reihe, da für alle n\in\mathbb{N}
{|a_{n+1}|\over |a_n|}={a_0\,q^{n+1}\over a_0\,q^n}\,=\,q\,<\,1
gilt.
Ein Beispiel für eine geometrische Reihe ist (50).
Ein anderes Beispiel (nun mit q<0) ist
1{\small{-{2\over 3}+\left(2\over 3\right)^2-\left(2\over 3\right)^3+\left(2\over 3\right)^4-
\left(2\over 3\right)^5+\dots}}\,\equiv\,
\sum_{n=0}^\infty\,(-1)^n{\small{\left(2\over 3\right)^n}}={1\over 1+{2\over 3}}={\small{{3\over 5}}}
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. |
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(63) |
Dabei haben wir \left(-{2\over 3}\right)^n=(-1)^n\left(2\over 3\right)^n gesetzt.
Beachten Sie die daraus resultierenden wechselnden ("alternierenden") Vorzeichen!
Ist |q|\geq 1 (d.h. q\leq -1 oder q\geq 1), so konvergiert die geometrische Reihe nicht!
Beispielsweise ergibt sich mit a_0=1 für q=1 die Reihe 1+1+1+1+\dots und für q=-1 die Reihe 1-1+1-1+\dots.
In beiden Fällen ist die Folge der Partialsummen divergent.
Die harmonische Reihe ist die Aufsummierung der Kehrwerte aller natürlichen Zahlen
1+{1\over 2}+{1\over 3}+{1\over 4}+{1\over 5}+{1\over 6}+\dots\,\equiv\,\sum_{n=1}^\infty\,\,{1\over n}
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. |
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(64) |
Sie ist divergent (was wir aber hier nicht beweisen)!
Interessanterweise ergibt sich eine konvergente Reihe, wenn wir in der harmonischen Reihe (64)
jedes zweite Vorzeichen umkehren:
1-{1\over 2}+{1\over 3}-{1\over 4}+{1\over 5}-{1\over 6}+\dots\,\equiv\,\sum_{n=1}^\infty\,\,{(-1)^{n+1}\over n}=\ln 2
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. |
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(65) |
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Die Konvergenz dieser Reihe folgt aus dem Leibniz-Kriterium (59). Ihren Wert \ln 2 begründen wir hier nicht,
denn er wird sich im Kapitel über Potenzreihen
ganz zwanglos ergeben. Die Reihe (65) ist ein Beispiel für eine konvergente Reihe, die aber
(aufgrund der Divergenz der harmonischen Reihe) nicht absolut konvergent ist.
Es gibt zahlreiche konvergente Reihen, die aus einfachen Bildungsgesetzen erhalten werden, teilweise mit überraschenden Werten.
Ein Beispiel ist dieses:
{1\over 1^2}+{1\over 2^2}+{1\over 3^2}+{1\over 4^2}+{1\over 5^2}+\dots\,\equiv\,\sum_{n=1}^\infty\,\,{1\over n^2}={\pi^2\over 6}
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, |
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(66) |
das wir hier aber auch nicht beweisen.
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Reihe für ln 2
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Unser letztes Beispiel betrifft die Zahl e. Sie wird im Kapitel über die Exponentialfunktion und den Logarithmus
genauer besprochen, und mit der Beziehung (34) steht auch eine (allerdings nicht sehr effiziente) Methode
zu ihrer numerischen Berechnung zur Verfügung. Die Zahl e kann aber auch anders berechnet werden,
wie die Reihe
{1\over 0!}+{1\over 1!}+{1\over 2!}+{1\over 3!}+{1\over 4!}+{1\over 5!}+\dots\,\equiv\,\sum_{n=1}^\infty\,\,{1\over n!}=e
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(67) |
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Berechnung von e
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zeigt. Die Symbole n! = n(n-1)\dots 2\cdot 1 (Faktorielle) haben wir in einem früheren Kapitel bereits kennen gelernt.
Beachten Sie, dass 0!=1 gilt!
Auch (67) beweisen wir hier nicht, da sich dieses Resultat im Kapitel über Potenzreihen
ergeben wird. Wir erwähnen aber, dass die Folge der Partialsummen sehr schnell konvergiert, d.h. dass sie mit wenig Aufwand zu recht genauen
Näherungswerten für e führen. Bereits s_{13} stimmt auf 10 Nachkommastellen mit e überein.
Berechnen Sie zur Übung s_{13} (also die Aufsummierung der Reihe von n=0 bis n=13) und vergleichen Sie mit e=2.718281828459...!
Wir erwähnen noch, dass für jedes x\in\mathbb{R}
{1\over 0!}+{x\over 1!}+{x^2\over 2!}+{x^3\over 3!}+{x^4\over 4!}+{x^5\over 5!}+\dots\,\equiv\,\sum_{n=1}^\infty\,\,{x^n\over n!}=e^x
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(68) |
gilt.
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Faktorielle
Reihen für e und ex
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Ausblick
Reihen werden nicht nur zur Berechnung spezieller Zahlen benutzt - wie die obigen Beispiele (65), (66) und
(67) zeigen -, sondern auch von Funktionswerten, die nicht mit den Grundrechnungsarten zu ermitteln sind
- wie (68) illustriert.
In den Kapitel über Potenzreihen und Fourierreihen finden Sie Näheres dazu.
Weiters erleichtern Reihen die Lösung verschiedenster Probleme (wie Differentialgleichungen) und sind die
Grundlage zahlreicher Näherungsverfahren.
All dies wird nicht nur in der Mathematik, sondern auch in vielen anderen wissenschaftlichen Gebieten angewandt.
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Potenzreihen
Fourierreihen
Differentialgleichungen
(in Vorbereitung)
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