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Exkurs: Lineare Gleichungssysteme


  Inhalt:  
1. Lineare Gleichungssysteme und ihre Lösungsmengen:

Ein lineares Gleichungssystem ist ein System einer gewissen Anzahl linearer Gleichungen für eine gewisse Anzahl von Variablen. Beispielsweise ist

2x + 3y 5z  =  1  
7x 4y + 6z  =  7  
  (1)

ein System von zwei linearen Gleichungen in drei Variablen x, y und z. Eine Lösung des Systems liegt dann vor, wenn alle drei Variable Werte besitzen, für die alle Gleichungen des Systems erfüllt sind. Beispielsweise ist eine Lösung des Systems (1) durch

x  =  1,     y  =  3,     z  =  2  
  (2)

gegeben. Um diese Aussage zu überprüfen, machen Sie die Probe, indem Sie diese Werte in (1) einsetzen! Sie können ebenso überprüfen, dass auch

x  =  2,     y  =  25/2,     z  =  41/2  
  (3)

eine Lösung des Systems (1) ist. Wir lernen daraus, dass ein Gleichungssystem mehrere Lösungen haben kann. Die Menge aller Lösungen eines Gleichungssystems bezeichnen wir als dessen Lösungsmenge.

 
2. Regeln für die Umformung linearer Gleichungssysteme:

Das Lösen eines linearen Gleichungssystems hat zum Ziel, alle Lösungen zu finden. Wie beim Lösen von Gleichungen (besprochen im gleichnamigen Kapitel) gibt es auch beim Lösen von Gleichungssystemen einige Regeln, die sie beachten sollten. Lineare Gleichungen können immer durch die Anwendung einfacher Umformungen gelöst werden. Jede Umformung führt das Gleichungssystem in ein neues, zum ursprünglichen äquivalentes System (d.h. in eines, das dieselbe Lösungsmenge besitzt) über. Ziel ist es, das System so zu vereinfachen, dass die Lösungsmenge unmittelbar aus ihm abgelesen werden kann. Besonders wenn Sie gerade dabei sind, das Lösen von Gleichungssystemen zu lernen, ist es sinnvoll, nach jedem Umformungsschritt alle Gleichungen des neuen Systems aufzuschreiben. Ansonsten kann es leicht passieren, dass Sie einzelne Gleichungen "verlieren". Vergessen Sie also nie den folgenden Grundsatz:

Auch wenn eine Umformung nur an einer einzelnen Gleichung durchgeführt werden sollte, ist mit ihr dennoch der Übergang von einem Gleichungssystem zu einem (vereinfachten) anderen Gleichungssystem verbunden.


Die beim Lösen eines linearen Gleichungssystems erforderlichen Umformungsschritte und Regeln sind:
  1. Sie dürfen jede der einzelnen Gleichungen einer Äquivalenzumformung unterziehen, insbesondere
    • zu beiden Seiten einer Gleichung denselben Term addieren,
    • von beiden Seiten einer Gleichung denselben Term subtrahieren und
    • beide Seiten einer Gleichung mit derselben (von 0 verschiedenen) Zahl multiplizieren.
    Die so umgeformte Gleichung besitzt dieselbe Lösungsmenge wie die ursprüngliche.
     
  2. Sie dürfen eine Gleichung nach einer in ihr enthaltenen Variable "auflösen" (d.h. diese Variable durch die anderen ausdrücken). Die derart aufgelöste Gleichung ersetzt die ursprüngliche. Beispiel:

    2x + 3y 5z  =  1  
      (4)

    kann durch

    x  =  (1 3y + 5z)/2  
      (5)

    ersetzt werden.
     
  3. Sie dürfen eine "aufgelöste Gleichung" wie (5) in einer anderen Gleichung benutzen. Beispiel: Die beiden Gleichungen

    x  =  (1 3y + 5z)/2  
    7x 4y + 6z  =  7  
      (6)

    können durch

    x  =  (1 3y + 5z)/2  
    7(1 3y + 5z)/2 4y + 6z  =  7  
      (7)

    ersetzt werden. Danach empfiehlt sich eine Vereinfachung der zweiten Gleichung:

    x  =  (1 3y + 5z)/2  
    29y 35z  =  5.  
      (8)

  4. Sie dürfen zwei Gleichung des Systems addieren (oder subtrahieren). Das neue System enthält das Resultat der Addition (Subtraktion) und eine der beiden ursprünglichen Gleichungen. Beispiel:

    x + 2y  =  5  
    x 2y  =  4  
      (9)

    kann durch

    x + 2y  =  5  
          2x  =  9    (Summe)  
      (10)

    ersetzt werden. Diese Operation wird oft dazu benutzt, um eine Gleichung zu erhalten, die einer der Variablen nicht mehr enthält. Es kann geschickt sein, zwei Gleichungen vor dieser Operation mit geeigneten Zahlen zu multiplizieren. Beispiel:

    3x + 2y  =  5  
    2x 7y  =  1  
      (11)

    wird, indem (nach Regel 1) die erste Gleichung mit 7, die zweite mit 2 multipliziert wird, durch

    21x + 14y  =  35  
      4x 14y  =  2  
      (12)

    ersetzt. Nun können sie addiert werden, und unter Beibehaltung der zweiten (einfacheren) Gleichung besteht das neue System aus den Gleichungen

            26x  =  37
    4x 14y  =  2.  
      (13)

    (In weiterer Folge kann die zweite Gleichung mit 1/2 multipliziert werden genausogut hätte auch die zu ihr äquivalente zweite Gleichung von (11) beibehalten werden können).
     
  5. Treten im Zuge Ihrer Umformungen zwei identische Gleichungen auf, so kann eine davon weggelassen werden. (Diese Regel lässt sich auch ein bisschen allgemeiner formulieren: Treten im Zuge Ihrer Umformungen zwei äquivalente Gleichungen auf, so können sie mit Hilfe der anderen Regeln so umgeformt werden, dass sie identisch sind. Daher kann eine weggelassen werden).
     
  6. Tritt ein Widerspruch auf, d.h. nimmt eine der Gleichungen, die Sie nach den bisherigen Regeln erhalten haben, die Form 0 = 1 an, so können Sie aufhören: Alle anderen Gleichungen des Systems sind nun ohne Belang, denn in diesem Fall ist die Lösungsmenge leer!
Durch geschickte Kombination dieser sechs Regeln kann jedes lineare Gleichungssystem gelöst werden.

 
3. Lösungsfälle:

In der folgenden Tabelle sind einige Gleichungssysteme, bei denen verschiedene Lösungsfälle auftreten, ihre vereinfachten Versionen (die sich durch Anwendung der obigen Regeln erzielen lassen) und Hinweise, wie die Lösungsmenge erkannt wird, aufgelistet. Versuchen Sie bei all diesen Beispielen selbst, die Umformungsschritte zu finden, die zu den angegebenen vereinfachten Versionen führen:


Gegebenes Gleichungssystem
Vereinfachtes Gleichungssystem
und Ablesen der Lösungsmenge
2x + 3y  =  3
5x y  =  1
x  =  0
y  =  1
Das Gleichungssystem besitzt genau eine Lösung. Sie wird unmittelbar durch die vereinfachte Form angegeben.
2x + 3y  =  3
4x + 6y  =  6
x  =  3(1 y)/2
Nach Regel 5 ist eine Gleichung weggefallen. Das vereinfachte System besteht daher nur aus einer Gleichung. Sie gibt die Lösungsmenge folgendermaßen an: Der Variablen y kann ein beliebiger Wert gegeben werden. Der entsprechende Wert von x kann dann mit Hilfe der obigen Formel berechnet werden. Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen.
x + y  =  1
x + y  =  2
0  =  1
Im Zuge der Umformungen tritt ein Widerspruch auf. Nach Regel 6 ist die Lösungsmenge des Gleichungssystems leer.
2x + y  =  1
y  =  2x + 1
Das System besteht nur aus einer Gleichung. Sie gibt die Lösungsmenge folgendermaßen an: Der Variablen x kann ein beliebiger Wert gegeben werden. Der entsprechende Wert von y kann dann mit Hilfe der obigen Formel berechnet werden. Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen.
 

Bemerkung: In der analytischen Geometrie wird die Lösungsmenge als Gerade in der Zeichenebene interpretiert. Eine Gleichung in zwei Variablen wird in diesem Sinn als "Geradengleichung" bezeichnet.
2x + 3y 5z  =  7
7x   y + 6z  =  47
3x 2y + 4z  =  21
x  =  3
y  =  4
z  =  5
Das Gleichungssystem besitzt genau eine Lösung. Sie wird unmittelbar durch die vereinfachte Form angegeben.
2x + 3y 5z  =  7
7x   y + 6z  =  47
9x + 2y + z  =  40
x  =  (143 13z)/23
y  =  (143 + 47z)/23
Im Zuge der Umformungen treten zwei äquivalente Gleichungen auf, von denen eine nach Regel 5 weggelassen wurde. Daher besteht das vereinfachte System nur aus zwei Gleichungen. Es gibt die Lösungsmenge folgendermaßen an: Der Variablen z kann ein beliebiger Wert gegeben werden. Die entsprechenden Werte von x und y können dann mit Hilfe der obigen Formeln berechnet werden. Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen.
 

Bemerkung: In der analytischen Geometrie wird die Lösungsmenge als Gerade im (dreidimensionalen) Raum interpretiert. (Die obige Form der Lösung ist eine so genannte Parameterdarstellung dieser Geraden mit Parameter z).
2x + 3y 5z  =  7
7x   y + 6z  =  47
9x + 2y + z  =  41
0  =  1
Im Zuge der Umformungen tritt ein Widerspruch auf. Nach Regel 6 ist die Lösungsmenge des Gleichungssystems leer.
2x + 3y + z  =  1
z  =  1 + 2x 3y
Das System besteht nur aus einer Gleichung. Sie gibt die Lösungsmenge folgendermaßen an: Den Variablen x und y können beliebige Werte gegeben werden. Der entsprechende Wert von z kann dann mit Hilfe der obigen Formel berechnet werden. Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Lösungen.
 

Bemerkung: In der analytischen Geometrie wird die Lösungsmenge als Ebene im (dreidimensionalen) Raum interpretiert. Eine Gleichung in drei Variablen wird in diesem Sinn als "Ebenengleichung" bezeichnet.