Das bestimmte Integral als kontinuierliche Verallgemeinerung des Mittelwerts und der Summe:
Nehmen wir zunächst an, die Funktion f
sei auf dem Intervall [a, b]
definiert und positiv.
Stellen wir die Frage: "Welchen Wert nimmt die Funktion im Intervall
[a, b]
im Mittel an?"
Das bestimmte Integral
stellt den Inhalt der Fläche unter dem Graphen dar. Nun stellen wir dieser Fläche
ein flächengleiches Rechteck gemäß folgender Skizze
gegenüber:

gegenüber. Die horizontale Seitenlänge des Rechtecks ist gleich
der Länge des Intervalls,
b − a.
Kaum eine Vorgangsweise wäre einleuchtender, als den Mittelwert der Funktion f
im Intervall [a, b]
als die vertikale Seitenlänge des Rechtecks in der obigen Skizze zu definieren. Da die Rechtecksfläche
gleich dem Produkt aus dieser Länge und
b − a
ist, folgt dann, dass der Mittelwert von f durch
gegeben ist. Wir können diese Definition als Analogon (oder "kontinuierliche Verallgemeinerung")
der Mittelwertsformel
für n Zahlen
c1, c2,
... cn
betrachten (siehe das Kapitel
Beschreibende Statistik (in Vorbereitung)).
Das bestimmte Integral wird damit zu einer kontinuierlichen
Verallgemeinerung des Begriffs der Summe.
Genauso, wie manche der Zahlen
cj
null oder negativ sein können, können wir die Beschränkung auf
positives f
fallen lassen und obige Formel auch in diesem Fall verwenden. Der so definierte
Mittelwert einer Funktion in einem Intervall
hat gewisse Eigenschaften, die man von einem Mittelwert erwartet:
- Ist
f(x) ≥ 0
für alle
x∈[a, b],
so ist auch der Mittelwert von f
größer-gleich 0.
- Der Mittelwert von f
ist nie kleiner als das Minimum von f
in [a, b].
- Der Mittelwert von f
ist nie größer als das Maximum von f
in [a, b].
- Ist f(x) = K
für alle
x∈[a, b],
d.h. f eine konstante Funktion, so ist der
Mittelwert von f gleich dieser Konstanten
K.
Beweisen Sie als Übungsaufgabe die letzte dieser Aussagen!
Im Gegensatz zur Gründerzeit der Integralrechnung, für die das
Flächeninhaltsproblem im Vordergrund stand, setzt die
moderne Theorie der Integration (die Maßtheorie) bei der Idee
des "Mittelwerts einer Funktion" an und versucht, diese Idee
für möglichst große Klassen unstetiger (d.h. schnell variierender) Funktionen
und für Funktionen, die auf anderen Mengen als den reellen Zahlen definiert sind,
zu realisieren.