Definitionslücke und hebbare Singularität:
Um zu verstehen, was es mit diesen Begriffen auf sich hat, diskutieren wir es anhand eines
Beispiels:
Eine Funktion sei durch den Term
gegeben. Da er für x = 1
nicht definiert ist (die Division 0/0 macht keinen Sinn),
liegt die Stelle x = 1
zunächst nicht im Definitionsbereich. Unsere Funktionsdefinition
lautet daher:
mit dem Definitionsbereich
(die Menge der reellen Zahlen ohne die 1). Wird der Ausdruck
x2−1
im Zähler als
(x+1)(x−1)
geschrieben, so wird klar, dass man den Funktionsterm für jedes
x ∈ A
(d.h. für jedes x ≠ 1)
kürzen kann. Daher kann (2) durch
ersetzt werden. Der Definitionsbereich ist nach wie vor durch (3) gegeben.
Der Graph unserer Funktion f
sieht so aus:

An der Stelle x = 1
klafft eine Lücke. Hier liegt offensichtlich ein Schönheitsfehler vor.
Beachten Sie, dass das ursprüngliche Problem mit dem Term (1)
fast verschwunden ist. Es hat sich gewissermaßen "herausgekürzt".
Da der Ausdruck (4), wenn er für alle
x ∈ R
zugelassen wird, eine überall stetige Funktion definiert, kann
die Lücke "stetig geschlossen" werden. Es muss lediglich
der Funktionswert an der Stelle x = 1
nachträglich als 2 definiert werden. Damit wird unsere
Funktion stetig auf ganz R
ausgedehnt.
In kurzen Worten zusammengefasst:
Die Lücke wurde beseitigt, indem der Funktionsterm ordentlich
gekürzt wurde. Daher sprechen wir von einer
Definitionslücke oder von einer hebbaren Singularität.
Nachbemerkung 1:
Die oben vorgeführte Methode funktioniert für rationale Funktionen,
d.h. Quotienten zweier Polynome, versagt aber in komplizierteren Fällen.
Wir werden später im Kapitel
Anwendungen der Differentialrechnung
eine allgemeinere Methode besprechen, die uns etwa erlauben wird, zu
erkennen, dass die Definitionslücke in
an der Stelle x = 0 durch die Definition
f (0) = 1 stetig behoben werden
kann.
Nachbemerkung 2:
Natürlich definiert nicht jeder Term, auch wenn er ordentlich gekürzt ist,
eine stetige Funktion. Betrachten wir etwa statt (1) den Term
so liegt an der Stelle x = 1
eine "echte" Singularität (eine Polstelle) vor. Das erkennen wir daran,
dass sein Betrag unbeschränkt anwächst, wenn
sich x der Zahl 1 annähert.
Für (1) ist das natürlich nicht der Fall.