Beachten Sie die Struktur dieses Ausdrucks: Er ist das Produkt aus einem nur von
ε abhängenden Term mit
ex,
d.h. dem Funktionsterm selbst! Vom Grenzübergang
ε → 0
ist nur der erste Faktor betroffen. Führen wir die Abkürzung
c =
eε
− 1
ε
lim
ε → 0
ein, so ergibt sich:
(ex) ' = cex
.
Die Ableitung (ex) '
ist daher ein Vielfaches von
ex.
Die Bedeutung der Proportionalitätskonstante c
wird klar, wenn wir auf der rechten Seite dieser Beziehung
x = 0
setzen (und bedenken, dass e0 = 1
ist): c ist die Ableitung
an der Stelle x = 0.
Um (21) zu beweisen, müssen wir also nur mehr zeigen, dass
c = 1 ist,
d.h. dass die Exponentialfunktion
x → ex
an der Stelle
0 die Ableitung
1 hat.
Dazu erinnern wir uns, wie wir die Eulersche Zahl e
im Kapitel Exponentialfunktion und Logarithmus
eingeführt haben
(sehen Sie sich insbesondere
die dortige Graphik zwischen den Formeln (14) und (15),
an):
Unsere Argumentation war von einem strengen mathematischen
Gesichtspunkt aus betrachtet ein bisschen schlampig, aber die Grundidee
− die auch einer genaueren Überprüfung standhält −
war, eals
jene Zahl zu definieren, für die der Graph der linearen Funktion
x → 1 + x
(eine Gerade mit Anstieg 1) die Tangente an den Graphen
von x → ex
im Punkt (0, 1)ist !
Damit haben wir das fehlende Glied in unserem Beweis: Es gilt
c = 1, daher
eε
− 1
ε
=
1.
lim
ε → 0
Nachbemerkung: Formel (21) offenbart die wahre Bedeutung der
Zahl e.
Unter allen Funktionen
x → ax
mit beliebigen reellen Basen a ist
x → ex
die einzige, die mit ihrer Ableitung identisch ist!
Wir können diese bemerkenswerte Eigenschaft auch so formulieren:
Es gibt nur eine einzige auf der Menge der reellen Zahlen definierte differenzierbare
Funktion f, für die die beiden Aussagen
f '(x) = f(x) für alle
reellen x
f(0) = 1
zutreffen, und zwar
f(x) = ex.
Die Zahl e kann dann als
f(1) definiert werden.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, erscheint die Eulersche Zahl
als ein sehr "natürliches" mathematisches Objekt.