Größere Schriftzeichen   

Warum die ''Menge aller Mengen'' ein widersprüchliches Konzept ist :

Warum die ''Menge aller Mengen'' ein widersprüchliches Konzept ist.

Nehmen wir versuchsweise an, die ''Menge aller Mengen'' sei eine sinnvolle Konstruktion, und nennen wir diese Menge M. Formal wäre also

M = { A | A ist eine Menge }.
(1)
Wenn M also (nach unserer versuchsweisen Annahme) tatsächlich eine Menge ist, enthält sie sich selbst als Element: M Î M.

Daraus würde also folgen, daß manche Mengen sich selbst als Element enthalten.

Für viele andere Mengen trifft das allerdings nicht zu (insbesondere für alle in diesem Kapitel definierten Mengen, z.B. für A = { 2, 3, 4, 5, 6, 7 }). Fassen wir diese zusammen und definieren S als die Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten:

S = { A | A ist eine Menge und A Ï A }.
(2)
Wenn all diese Konzepte sinnvoll sind, ist S also eine Teilmenge von M. Nun stellen wir die Frage, ob sich S selbst als Element enthält oder nicht. Formal ausgedrückt, fragen wir, ob S Î S oder S Ï S.

Hier tritt die Überraschung auf:

Angenommen S Î S, dann enthält sich S als Element und ist daher nicht in S enthalten (da ja S per Definition nur die Mengen umfaßt, die sich nicht selbst als Element enthalten). Folglich ist S Ï S - ein klarer Widerspruch. Die Annahme muß falsch sein.

Angenommen S Ï S, dann enthält sich S nicht als Element und ist daher sehr wohl in S enthalten (da ja S per Definition alle jene Mengen umfaßt, die sich nicht selbst als Element enthalten). Folglich ist S Î S - wieder ein klarer Widerspruch. Auch diese Annahme ist falsch!

Die Frage führt also auf einen logischen Widerspruch (die sogenannte Russellsche Antinomie). Er rührt offensichtlich daher, daß eine allzu unbefangene Sichtweise des Mengenbegriffs es erlaubt, daß eine Menge sich selbst als Element enthält. (In der Art und Weise, wie Mengen in der Schulmathematik verwendet werden, tritt so ein Fall allerdings nie auf. Unsere momentanen Betrachtungen betreffen die logischen Grundlagen der Mathematik - haben daher auch einen philosophischen Aspekt -, wirken sich aber glücklicherweise auf mathematische Problemstellungen, die im Unterrichtsstoff behandelt werden, nicht aus).

Die logische Grundstruktur dieses Widerspruchs wird oft in folgendes Gewand gekleidet: Ein Dorfbarbier rasiert alle Männer im Dorf, die sich nicht selbst rasieren. Frage: rasiert er sich selbst?

Angenommen, er rasiert sich selbst, dann rasiert er sich nicht (denn er rasiert ja nur all jene, die sich nicht selbst rasieren) - ein klarer Widerspruch. Die Annahme muß falsch sein.

Angenommen, er rasiert sich nicht selbst, dann rasiert er sich sehr wohl (denn er rasiert ja alle, die sich nicht selbst rasieren) - wieder ein klarer Widerspruch. Auch diese Annahme ist falsch!

Erkennen Sie, daß die Struktur dieser Geschichte dieselbe ist wie der Versuch, der ''Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten'' einen Sinn zu geben?

Fazit:

Das Konzept der ''Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten'' (und daher auch das Konzept der ''Menge aller Mengen'', von dem es abstammt) ist in sich widersprüchlich.