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Exkurs: Themen aus der klassischen Geometrie


  Inhalt:  
1. Strecken und Geraden:

Eine Strecke ist die gerade (d.h. die kürzeste) Verbindungslinie zwischen zwei Punkten in der Ebene oder im Raum. Die Strecke zwischen einem Punkt A und einem Punkt B wird als AB oder auch mit einem Oberstrich in der Form
__
AB

angeschrieben. Jede Strecke hat eine Länge: den Abstand (die Entfernung) der beiden Endpunkte. Sie wird entweder in der Form |AB| oder einfach als AB geschrieben.
 
Strecke Gerade

Eine Gerade ist, wie der Name sagt, ebenfalls eine gerade Linie. Sie ist jedoch nicht begrenzt, sondern reicht "bis ins Unendliche" (obwohl in einer Skizze - wie in der obigen - immer nur ein endlicher Ausschnitt dargestellt werden kann). Jede Strecke (deren Endpunkte verschieden sind) definiert eine Gerade, nämlich jene, auf der die beiden Endpunkte liegten. (Die Gerade ist in diesem Sinn die "Fortsetzung der Strecke bis ins Unendliche").

Geraden und Strecken können zueinander parallel sein (d.h. die gleiche Richtung in der Ebene oder im Raum definieren). Sie können einander schneiden (d.h. einen gemeinsamen Punkt - den Schnittpunkt - besitzen), und sie können einen bestimmten Winkel miteinander einschließen. Dem rechten Winkel (90°) kommt in der Geometrie eine besondere Bedeutung zu. Stecken oder Geraden, die einen rechten Winkel einschließen, heißen zueinander normal (oder orthogonal).
 

Eine Strecke und eine Gerade:
Sie besitzen einen Schnittpunkt S und
schließen den Winkel a ein.
 
Rechter Winkel
(rechts das für einen rechten
Winkel übliche Symbol)

Als Mischform wird manchmal die Halbgerade (der Strahl) benötigt: Wie der Name sagt, handelt es sich dabei um eine gerade Linie, die von einem Punkt ausgeht, außer diesem aber keine andere Begrenzung besitzt.

 
2. Wissenswertes über ebene geometrische Figuren:

Zu den einfachsten und geometrischen Figuren der Ebene gehören jene, die von Strecken begrenzt werden: Unter den Dreiecken unterscheidet man die Spezialfälle Vierecke werden von vier Strecken (die einander - außer in den Endpunkten - nicht schneiden) begrenzt. Unter ihnen unterscheidet man die Spezialfälle Ganz allgemein spricht man von n-Ecken, wenn es n begrenzende Strecken gibt. Die wichtigsten unter all diesen Figuren sind die Dreiecke, da alle anderen in Dreiecke zerlegt und ihre geometrischen Eigenschaften auf jene der Dreiecke zurückgeführt werden können. Wir werden weiter unten im Abschnitt über den Satz von Pythagoras auf eine besonders häufig verwendete Eigenschaft rechtwinkeliger Dreiecke zu sprechen kommen. Mehr über Dreiecke (vor allem über die Zusammenhänge zwischen Winkel- und Längenbeziehungen in ihnen) erfahren Sie in den Kapiteln Winkelfunktionen und Trigonometrie.

Zu den in der Geometrie interessierenden Eigenschaften der n-Ecken gehören ihre Flächeninhalte (üblicherweise mit dem Buchstaben A bezeichnet). Wir wollen hier nur fünf elementare Formeln zusammenstellen:

Figur Flächeninhalt Skizze
Quadrat A  =  a2
Rechteck A  =  ab
Rechtwinkeliges Dreieck A  =  ab/2
Beliebiges Dreieck A  =  ch/2
("Grundlinie mal Höhe halbe")
Parallelogramm A  =  ch
("Grundlinie mal Höhe")

Zahlreiche speziellere Formeln (z.B. für den Flächeninhalt des Trapezes und des Deltoids) ergeben sich als einfache Folgerungen aus diesen.

 
3. Kongruenz:

Wir nennen zwei Figuren (zueinander) kongruent (deckungsgleich), wenn sie so verschoben und gedreht werden können, dass sie danach einander überdecken. Kongruente Figuren sind daher lediglich verschobene und gedrehte Versionen voneinander:


Zwei Figuren sind kongruent, wenn sie in den in ihnen vorkommenden Längen und Winkeln übereinstimmen.

 
4. Ähnlichkeit und der Strahlensatz:

Wir nennen zwei Figuren zueinander ähnlich, wenn sie sich nur in der Größe unterscheiden, nicht aber in den in ihnen vorkommenden Winkeln. Ähnliche Figuren sind "aufgeblasene" bzw. "geschrumpfte" Versionen voneinander:


Was mit "Schrumpfen" bzw. "Aufblasen" genau gemeint ist, kann mit Hilfe eines Bündels von Strahlen, die von einem Zentrum ausgehen, konstruktiv dargestellt werden:


Jeder Strahl verbindet entsprechende Punkte der zueinander ähnlichen Figuren. Beachten Sie, dass die Figuren hier zueinander parallel angeordnet sind.

Der Strahlensatz besagt nun, dass Längenverhältnisse (d.h. Quotienten von Längen) in ähnlichen Figuren gleich sind. So gilt beispielsweise für die hier gekennzeichneten Längen


die Beziehung

 a
b
   =     a'
b'
 

oder, was dasselbe bedeutet,

 a
a'
   =     b
b'
 .

Es ist nicht schwer, sich zu überlegen, wie das zustande kommt. Nehmen wir beispielsweise an, die Figur, zu der die Längen a und b gehören, sei doppelt so groß als jene Figur, zu der die Längen a' und b' gehören. (Das entspricht den Größenverhältnissen in der obigen Skizze). Das bedeutet, dass jede Länge der ersten Figur doppelt so groß als die entsprechende Länge der zweiten Figur ist. Insbesondere gilt a = 2a' und b = 2b'. Der Strahlensatz kann auch dann angewandt werden, wenn eine der beiden Figuren gedreht oder gespiegelt wurde. Ganz allgemein nennen wir zwei Figuren zueinander ähnlich, wenn es möglich ist, sie zur Deckung zu bringen, indem eine von ihnen (nacheinander) wird. Mit diesem allgemeinen Begriff von Ähnlichkeit gilt etwa der

Satz: Zwei rechtwinkelige Dreiecke, die neben dem rechten noch einen anderen Winkel gemeinsam haben, sind zueinander ähnlich.



Für diese beiden Dreiecke gilt a/b = a'/b' und (gleichbedeutend) a/a' = b/b'. (Beachten Sie: Da die Winkelsumme im Dreieck 180° beträgt, stimmen die beiden Dreiecke in allen Winkeln überein). Dieser kleine Satz ist für geometrische Argumentationen besonders wichtig und wird oft angewandt. Versuchen Sie, ihn sich einzuprägen!
Eine Verallgemeinerung lautet: Zwei Dreiecke, die zwei Winkel gemeinsam haben, sind zueinander ähnlich.

Der Strahlensatz kann auf die folgende, etwas abstraktere Situation zurückgeführt werden: Werden drei von einem Punkt ausgehende Strahlen wie in der folgenden Skizze von zwei parallelen Geraden geschnitten,


so gelten die Beziehungen: Erkennen Sie die zueinander ähnlichen Dreiecke in der obigen Skizze?

Analoge Beziehungen gelten, wenn die parallelen Geraden die Strahlen auf verschiedenen Seiten des zentralen Punktes schneiden ("X-Figur", im Gegensatz zur oben betrachteten "V-Figur"):


Hier gilt beispielsweise a/a' = r/r' = s/s'.

Eine schöne Visualisierung des Strahlensatzes in Form eines Java-Applets von Walter Fendt finden Sie hier.

 
5. Satz von Pythagoras ("Pythagoräischer Lehrsatz"):

Dieser wohl berühmteste Satz der Mathematik lässt sich recht flüssig rezitieren ("a-Quadrat plus b-Quadrat ist c-Quadrat"), aber Sie sollten auch genau wissen, was er bedeutet. Er ist eine Aussage über eine Beziehung der Seitenlängen jedes rechtwinkeligen Dreiecks. Werden die Längen der Katheten (d.h. der Seiten, die den rechten Winkel einschließen) mit a und b bezeichnet und die Länge der Hypotenuse (d.h. der Seite, die dem rechten Winkel gegenüber liegt) mit c, so lautet er

a2 + b2  =  c2.


Achtung: Er kann auch als Aussage über Flächen verstanden werden:


Er behauptet: Die Summe der Flächeninhalte der Quadrate über den Katheten ist gleich dem Flächeninhalt des Quadrats über der Hypotenuse. (Die graue Fläche ist genauso groß wie die beiden gelben Flächen zusammen).

Es gibt zahlreiche Beweise für diesen Satz. Ein graphisch ansprechender Beweis beruht auf folgender Konstruktion:


Vier Kopien des gegebenen rechtwinkeligen Dreiecks werden in der angezeigten Form zusammengelegt. (Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass a > b ist). Die vier Hypotenusen bilden ein Quadrat mit Seitenlänge c. (Überlegen Sie, wieso das der Fall ist! Tipp: Die Winkelsumme in jedem Dreieck ist 180°). Die frei bleidende Fläche in der Mitte ist ein Quadrat der Seitenlänge a - b. Jedes unserer Dreiecke hat einen Flächeninhalt von ab/2, die vier Dreiecke überdecken demnach eine Fläche der Größe 2ab. Der Flächeninhalt des gesamten Quadrats Daher muss gelten:

(a - b)2 + 2ab  =  c2.

Multiplizieren Sie die Klammer auf der linken Seite aus, und Sie werden die Aussage a2 + b2  =  c2 finden!



Der Satz von Pythagoras besitzt übrigens eine Umkehrung: Gilt in einem Dreieck mit Seitenlängen a, b und c (alle ¹0) die Beziehung a2 + b2  =  c2, so handelt es sich um ein rechtwinkeliges Dreieck, wobei a und b die Katheten sind und c die Hypotenuse ist. Eine aus dem alten Ägypten überlieferte Methode, diese Umkehrung praktisch anzuwenden, besteht darin, auf einem geschlossenen Seil 12 gleich lange Teilstücke zu markieren. Wird das Seil von drei Personen, zwischen denen sich jeweils 3, 4 und 5 Teilstücke befinden, gespannt,


so entsteht (da 32 + 42  =  52 gilt) ein rechtwinkeliges Dreieck. Auf diese Weise ließen sich sehr leicht rechteckige Grundstücke markieren.